Japaner und Deutsche gedenken der Opfer der Naturkatastrophe

Trauer in der zweiten Heimat

Die japanische Gemeinde in Düsseldorf hat am Sonntag der Katastrophenopfer in Japan gedacht. Die Japaner in Deutschland seien tief betroffen von dem noch nicht absehbaren Ausmaß der Katastrophe, sagte der Direktor des Kulturvereins und Hauptpriester der Shin-Gemeinde, Takao Aoyama.

 (DR)

Dem buddhistischen Priester ist tiefe Trauer ins Gesicht geschrieben. "Da, wo ich früher mit meiner Frau Muscheln gesucht habe, hat man nach dem Tsunami hunderte von Kinderleichen gefunden", berichtet Takao Aoyama, Hauptpriester der Düsseldorfer buddhistischen Gemeinde. Wegen der verheerenden Naturkatastrophen in Japan haben die Verantwortlichen des Shin-Tempels am Sonntag zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer eingeladen. In Düsseldorf leben mit bis zu 8.000 die meisten Japaner in Deutschland.



Der vor 18 Jahren eingeweihte Tempel ist voll besetzt: Rund 150 Menschen, Japaner und Deutsche, sind zum Gedenken zusammengekommen. Nach und nach treten die Besucher vor den Altar, auf dem eine rote Kerze brennt und verbeugen sich. Leise Glockenschläge unterteilen das Gebet, das von Priester und Gemeinde gemeinsam gesprochen wird. Auch der der japanische Generalkonsul Kiyoshi Koinuma ist gekommen. Drei Tage nach dem Erdbeben und dem Tsunami stehe auch er unter großem Schock, sagt er.



Die Japaner in Deutschland erleben in all dem Leid aber auch eine überwältigende Anteilnahme, wie Aoyama schildert. So habe er in den vergangenen Tagen "unzählige Anfragen und Zeichen des Mitgefühls" erhalten. Er selbst hat bis vor neun Jahren an der Universität der vom Tsunami schwer zerstörten Stadt Sendai gelehrt. Immer noch habe er nicht mit seinen Freunden und damaligen Kollegen in der Heimat sprechen können, erzählt der 72-jährige Direktor des japanischen Kulturvereins besorgt. Nach wie vor sei die Stadt Sendai ohne Wasser, ohne Gas und ohne Strom.



In die Sorge um die bisherigen Opfer mischt sich immer stärker die Angst vor einer drohenden Atomkatastrophe. "Wir wissen immer noch nicht, wie viele Menschen ums Leben gekommen sind, wie viele möglicherweise noch verschüttet am Leben sind", sagte die 46-jährige Yumiko Nagato. "Und natürlich haben wir große Angst vor der drohenden Atomkatastrophe".



Eine 22 Jahre alte Studentin bangt um das Wohlergehen ihres Bruders, der in der Nähe der besonders hart betroffenen Hafenstadt Kesenuma arbeitet. "Bis jetzt habe ich noch kein Lebenszeichen von ihm, aber ich hoffe weiter auf das Beste", berichtet die junge Frau unter Tränen.



Trotz der zahlreicher Fernsehkameras und Fotografen bleibt die Stimmung im kleinen Tempel getragen und feierlich. Als Aoyama die Gefahr durch die beiden beschädigten Kernkraftwerke in seiner Heimat anspricht, geht ein Stöhnen durch die Reihen der Andachts-Teilnehmer.



"Es muss alles versucht werden, damit es jetzt nicht auch noch zu einer atomaren Katastrophe kommt", sagt ein älterer Japaner, dessen Frau sich die rotgeweinten Augen trocknet. Ihre Familie lebe zwar nicht im Katastrophengebiet, erzählt die Frau. "Aber ich weine um all die unschuldigen Menschen, die davon getroffen wurden."



Das 1993 in der NRW-Landeshauptstadt gegründete EKO-Haus, wo sich auch der Shin-Tempel befindet, gilt als das kulturelle Zentrum der japanischen Gemeinde. Doch weder hier noch im wirtschaftlichen Zentrum der Japaner in Düsseldorf rund um die Immermann-Straße sind weder Trauerfahnen noch Plakate zu sehen.



"Das mag an unserer Mentalität liegen. Wir trauern auch eher in uns selbst", erläutert der 32 Jahre alte Nashioka, der zum Mittagessen in eines der zahlreichen japanischen Restaurants in der Innenstadt von Düsseldorf geht. Die Lokale sind meist gut besucht.

Die Gespräche indes drehen sich nicht ums Essen sondern um die Lage im Heimatland. "Das Schlimmste ist, das man immer noch nicht weiß, wie es um Freunde, Verwandte und Kollegen in den betroffenen Regionen zu Hause steht. Das Ungewisse schmerzt stark", meint eine junge Japanerin, deren Familie nahe der Stadt Fukushima lebt, wo das Kühlsystem eines Atomreaktors ausgefallen sein soll.



"Ganz sicher werden wir am Montag viele Fragen der Kinder beantworten müssen", erklärt eine junge Japanerin, die als Betreuerin in einem der vier japanischen Kindergärten in Düsseldorf arbeitet. Viele Kinder haben in den betroffenen Regionen ihre Großeltern oder Verwandten wohnen. Nach der Gedenkfeier zeigt die junge Frau auf die Weidenbäume im japanischen Garten neben dem Tempel. An den Ästen hängen hunderte tränenförmige Samenkapseln. "Selbst die japanischen Bäume weit weg von der Heimat zeigen Trauer", sagt die Kindergärtnerin.