Jahresrückblick: Die Absetzung im Berliner Haus war das Opern-Thema 2006 - aber nicht das einzige

Deutsche Oper spielt wieder „Idomeneo“

Die Mozart-Oper „Idomeneo“ kommt nach ihrer Absetzung am Montag erstmals wieder auf die Bühne der Deutschen Oper Berlin. Die Inszenierung war im September wegen möglicher islamistischer Bedrohungen vom Spielplan genommen worden. Die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter hat Verständnis für Muslime gezeigt, die die Oper "Idomeneo" nicht ansehen wollen. - Bestes Opernhaus des Jahres wurde nicht die Deutsche Oper. Berlin sorgte aber auch sonst für Schlagzeilen im Opernjahr 2006.

 (DR)

Absage des Zentralrats der Muslime
Die umstrittene Szene, in der die abgeschlagenen Köpfe von Jesus und Mohammed gezeigt würden, habe eine menschenverachtende Seite, sagte Wartenberg-Potter am Montag im Deutschlandradio Kultur. Die Szene sei nicht aufklärerisch, sondern in erster Linie provokativ. Die Oper bringe eine Demontage religiöser Beziehungen zum Ausdruck, die in dieser Gesellschaft weit verbreitet sei. Es sei wichtig, dass die Menschen die positiven Seiten der anderen Religionen erführen, so die Bischöfin.

Am Wochenende kündigte auch der Zentralrat der Muslime an, nicht am Opernbesuch teilzunehmen. Generalsekretär Aiman Mazyek sagte dem Berliner "Tagesspiegel", er sei zwar gegen die Absetzung von "Idomeneo" gewesen, aber in diesem Fall fühle er sich politisch instrumentalisiert.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat Verständnis für muslimische Spitzenvertreter gezeigt, die nicht die Mozart-Oper "Idomeneo" besuchen wollen. Sich mit einem religionsfeindlichen Spektakel demonstrativ zu solidarisieren, wäre für gläubige Menschen ein Mangel an Selbstachtung, erklärte ZdK-Präsident Joachim Meyer am Montag in Bonn.


Diskrete Sicherheitsvorkehrungen
Die Aufführung wird nach Angaben der Polizei unter angemessenen, aber diskreten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Einzelheiten zu möglichen Einlasskontrollen und zum Außenschutz wollte die Polizei nicht nennen. Es gebe aber keinerlei Hinweise auf Gefahren. Die Absetzung der Inszenierung, in deren Schlussbild die abgeschlagenen Köpfe von Jesus, Buddha, Poseidon und des Propheten Mohammed auf die Bühne gebracht werden, war bei Künstlern und Politikern bis hin zu Bundeskanzlerin Merkel auf heftige Kritik gestoßen.

Merkel kritisierte die Streichung als „nicht erträglich". Regisseur Neuenfels sagte, Harms habe „die Dimension ihrer Entscheidung verkannt". Wenn die Sicherheitshinweise ernst zu nehmen waren, hätten die Sicherheitsbehörden entscheiden müssen, was zu tun sei, um die „Idomeneo"-Inszenierung aufführen zu können, hieß es beim Bühnenverein. Zudem sei der Schutz der Kunstfreiheit Aufgabe des Staates. Während bei Politikern die Ablehnung der Entscheidung überwog, gab es aus muslimischen Kreisen Zustimmung. Nach dem Sturm der Entrüstung können alle Kritiker sehen, wie es wirklich um die Neuenfels-Inszenierung steht: Am 18. und 29. Dezember ist sie nun doch an der Deutschen Oper zu sehen.

Neuer Star am Opern-Regiehimmel
Neuer Star am Opern-Regiehimmel ist Sebastian Baumgarten. Der 37-jährige Berliner wurde von der Fachzeitschrift „Opernwelt" für seinen „Orest" an der Komischen Oper Berlin als „Regisseur des Jahres" ausgezeichnet. Doch Baumgarten gibt sich sperrig: Eigentlich hält er nicht viel vom etablierten Opernbetrieb, setzt mehr auf das Schauspiel.

Neben Baumgarten gibt es einige weitere junge Regisseure, die auf sich aufmerksam machten: Claus Guth schaffte es mit seiner „Hochzeit des Figaro" bei den Salzburger Festspielen Dank der Starbesetzung mit Anna Netrebko sogar live ins Abendprogramm der ARD. Der 36-jährige Russe Dimitri Tcherniakov sorgte mit „Boris Godunow" Ende des vergangenen Jahres an der Staatsoper Unter den Linden für Staunen, und „Wozzeck" des 42-jährigen Katalanen Calixto Bieito in Hannover sprach Kritik und Publikum gleichermaßen an.

Bewährter Star am Opernhimmel: Staatsoper Stuttgart
Als „Bestes Opernhaus des Jahres" wurde erneut die Staatsoper Stuttgart ausgezeichnet - bereits zum sechsten Mal nach 1994. Damit ging nach 15 Jahren die große Ära von Intendant Klaus Zehelein zu Ende, der im Alter von 66 Jahren an die Bayerische Theaterakademie wechselte. Sein Nachfolger ist seit dieser Spielzeit Albrecht Puhlmann, der in den vergangenen Jahren die Staatsoper Hannover zu einem der am meisten beachteten Opernhäuser Deutschlands gemacht hatte. Sein Nachfolger wiederum wurde Michael Klügl.

Die Berliner Diskussion
Die Berliner Opernlandschaft machte nicht nur mit „Idomeneo", sondern auch mit besonders klammen Kassen von sich reden. Braucht eine Stadt mit 3,4 Millionen Einwohnern tatsächlich drei Opernhäuser? Die Staatsoper Unter den Linden, die Deutsche Oper und die Komische Oper gelten bundesweit künstlerisch als nicht so bedeutend, doch über die mögliche Schließung eines Hauses mag auch niemand reden.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), auch für die Kultur der Hauptstadt zuständig, will unbedingt, dass der Bund die Staatsoper als Nationaloper in seine Regie übernimmt. Das Haus ist, obwohl erst vor 50 Jahren wieder aufgebaut, angeblich ein Totalsanierungsfall, in den Berlin akut 50 Millionen Euro investieren müsste. Doch vor dem Hintergrund der streng föderalen Strukturen im Kulturbereich scheint eine Übernahme ausgeschlossen.

Nur zwei Häuser könne Berlin international konkurrenzfähig betreiben, sagt Wowereit. Und so pokert er weiter, und das Thema wird den Feuilletons auch im neuen Jahr erhalten bleiben.