Italiens Volksheiliger Pater Pio wurde untersucht

Auffallend sind nur noch die Füße

Der Kapuzinerpater Pio ist Italiens populärster Heiliger des 20. Jahrhunderts. Und einer der umstrittensten. Im vergangenen Jahr hatte ein Historiker die Echtheit der Wundmale Pios in Frage gestellt. Am Wochenende wurde sein Sarg geöffnet. Der Volksheilige soll ab April öffentlich aufgebahrt werden. Vorher aber wurde er noch untersucht.

 (DR)

Der Leichnam des italienischen Volksheiligen Pater Pio (1887-1968) wird vom 24. April an für mehrere Monate in einem Glassarg an seinem Wirkungsort San Giovanni Rotondo in Apulien öffentlich aufgebahrt. Am Wochenende war der Sarg mit den sterblichen Überresten des 2002 heiliggesprochenen Kapuziner-Paters zu einer offiziellen Untersuchung geöffnet worden. Dabei habe sich der Leichnam als gut erhalten erwiesen, sagte der zuständige Erzbischof von Manfredonia, Domenico Umberto D'Ambrosio, laut italienischen Medienberichten vom Montag. Gegenüber Radio Vatikan verteidigte er, dass Pater Pio exhuminiert wurde. "Wir bestehen aus Fleisch und Blut, und deshalb benötigen wir auch sichtbare Zeichen. Gott selber wurde Mensch, um mit uns zu sprechen. Diese Verbindung gehört zu unserem Mensch-Sein, ein Mensch möchte seine Umwelt sehen und fühlen. Von daher hat die Exhumierung eine besondere Bedeutung."

Die Aufbahrung in der Krypta der Pilgerkirche Santa Maria delle Grazie erfolgt zum 40. Todestag des Heiligen und 90 Jahre nach dem ersten Auftreten seiner Stigmata. Nach Angaben von D'Ambrosio seien diese Wundmale heute jedoch nicht mehr am Leichnam zu erkennen. Auffallend seien die bloßen Füße - Kapuziner würden in der Regel barfuß beerdigt, sagte der Erzbischof.

Der Leichnam von Pater Pio solle nach der Aufbahrung nicht in die vom Star-Architekten Renzo Piano entworfene große Wallfahrtskirche in San Giovanni Rotondo umgebettet werden, teilte D'Ambrosio mit. Jüngst drohten Verehrer des Heiligen mit Protesten, falls der Kapuziner von seinem selbst gewählten Begräbnisort in der Krypta der Kirche Santa Maria delle Grazie entfernt würde. Aufgrund des hohen Besucheransturms hatte die Gemeinde 2004 einen Kirchenneubau in San Giovanni Rotondo eingeweiht, der zusammen mit dem Vorplatz 37.000 Pilger aufnehmen kann.

Kapuziner weisen Betrugs-These um Pater Pio zurück
Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Kapuzinerorden Behauptungen eines italienischen Historikers zurückgewiesen, der wegen seiner Wundmale berühmte Pater Pio habe sich die Verletzungen mit einer Säure selbst zugefügt. Der 2002 heiliggesprochene Ordensmann sei in seinem Konvent auch für medizinische Dienste zuständig gewesen und habe das hochgiftige und ätzende Phenol zur Desinfektion von Spritzen benutzt.

Das Mittel, das Anfang des 20. Jahrhunderts in der Medizin allgemein gebräuchlich war, könne überdies nur Verbrennungen auf der Haut hervorrufen, nicht aber derart durchdringende Wunden verursachen, wie sie an den Händen Pater Pios zu sehen gewesen seien, argumentierte ein Kapuzinersprecher. Der in Turin lehrende Historiker Sergio Luzzatto äußert in seinem Buch "Pater Pio. Wunder und Politik im Italien des 20. Jahrhunderts" Zweifel an der Echtheit der Stigmata und stellt den italienischen Volksheiligen als auch innerkirchlich umstrittene Figur dar. Der Band erscheint in der kommenden Woche in Italien.

Belpiede: Stigmata früher als Phenol-Käufe
Der Sprecher des Kapuzinerordens hielt der Darstellung Luzzattos in dem Interview weiter entgegen, die Phenol-Käufe von Pater Pio seien erst neun Jahre nach dem ersten Erscheinen der Wundmale 1910 belegt. Im Juli 1919 habe ein Arzt versiegelte Verbände an den Händen des Kapuziners angelegt; nach einer Woche seien die Verletzungen jedoch weder verkrustet noch vereitert, sondern offen und blutend gewesen. Außerdem habe man die mysteriöse Erscheinung im Zuge des Heiligsprechungsverfahrens genau untersucht, so Belpiede.

Er äußerte sich zugleich zu dem Betäubungsgift Alkaloid Veratrin, das sich Pater Pio heimlich besorgt haben soll. Damit habe der Kapuziner seine Stigmata desinfiziert. Anfangs habe sich Pater Pio seiner Wunden geschämt und sie verbergen wollen. Dies gehe aus Zeugenberichten und Briefen hervor, sagte der Ordenssprecher im "Giornale".