Vergangene Woche veröffentlichte die Italienische Bischofskonferenz Richtlinien, denen zufolge schwule Männer künftig nicht mehr grundsätzlich vom Priesteramt ausgeschlossen werden. Das Papier ist Ergebnis langer Diskussionen der italienischen Kirchenleitung auch angesichts fehlenden Interesses für den Priesterberuf.
Mit ihrer Entscheidung weichen die Bischöfe bisher gültige Zugangsregeln zur Priesterausbildung auf. Papst Benedikt XVI. bekräftigte 2005 noch das Verbot, Schwule in Priesterseminare aufzunehmen. Er stellte damals klar: Homosexualität sei "objektiv ungeordnet". Man müsse "Betroffenen" mit Achtung und Takt begegnen, doch "mit aller Klarheit" sei festzuhalten, dass sie nicht für das Priesterseminar zugelassen werden können.
Als Begründung hieß es: "Die genannten Personen befinden sich nämlich in einer Situation, die in schwerwiegender Weise daran hindert, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen. Die negativen Folgen, die aus der Weihe von Personen mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen erwachsen können, sind nicht zu übersehen." 2016 schärfte der Vatikan unter Papst Franziskus diese Regeln erneut ein.
Die neuen italienischen Leitlinien traten am 9. Januar in Kraft und gelten vorläufig für drei Jahre. Sie ersetzen eine Version von 2006 und wurden laut Mitteilung vom Vatikan genehmigt. Neben der Frage sexueller Orientierung geht es in den Leitlinien auch um die Prävention von Missbrauch sowie um die Zusammenarbeit mit Experten diverser Disziplinen in der Ausbildung. Weitere Themen sind der Umgang mit jenen, die das Priesterseminar aus verschiedenen Gründen wieder verlassen, sowie der Gebrauch von Social Media.
Schüller: Entdramatisierung von Homosexualität im Seminar
In einer ersten Stellungnahme sagte der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Die Italienische Bischofskonferenz entdramatisiert die Tatsache, als Priesteramtskandidat homosexuell zu sein." Vielmehr forderten die Bischöfe nun von hetero- und homosexuellen Priesteramtskandidaten gleichermaßen eine menschlich-spirituelle Reifung hin auf eine zölibatäre Lebensform, "bei der jegliche Form aktiv gelebter Sexualität ausgeschlossen ist".
In Deutschland rückte 2022 die Initiative "Out in Church" den kirchlichen Umgang mit queeren Menschen in die Öffentlichkeit. Das Coming-out von mehr als 100 kirchlichen Mitarbeitenden löste eine Debatte aus. Insbesondere für Laien, also nicht-geweihte Katholiken, führte die Aktion zu arbeitsrechtlichen Anpassungen.
Seitdem erklärten auch einige Verantwortliche der Priesterausbildung hierzulande, sie wollten ihre Arbeit nicht mehr auf die sexuelle Orientierung von Kandidaten fokussieren, sondern auf deren Bereitschaft zum Zölibat - also auf den Verzicht auf Sex und Partnerschaft. Eine Rechtssicherheit in diesem Vorgehen für schwule Kandidaten gibt es jedoch nicht - das Verbot, sie aufzunehmen und zu weihen gilt.
Und der Papst? Er verhält sich ambivalent. Während Franziskus gebetsmühlenartig eine offene Kirche für alle predigt, möchte er homosexuelle Männer explizit aus Priesterseminaren fernhalten. Prominent forderte er das im vergangenen Jahr, als die italienischen Bischöfe über die nun veröffentlichten Richtlinien diskutierten. Berichten zufolge riet der Papst damals von einer Lockerung ab und sagte, es gebe schon genug "Schwuchtelei" (frociaggine) in den Seminaren.
2018 erklärte Franziskus schon ausführlich in einem Buch, dass Homosexuelle nach kirchlicher Weisung nicht zum Priesteramt zugelassen werden dürfen: "Das Weiheamt oder das geweihte Leben sind nicht ihr Platz". Zudem müsse man homosexuelle Priester dazu anhalten, den Zölibat verantwortlich und umfassend zu leben.
Deutsche Regelung "führt zu Versteckspiel"
Die Richtlinien der italienischen Bischöfe greifen nun diesen Gedanken des Papstes auf. Sie heben explizit auf einen verantwortlichen und integrierten Umgang mit der eigenen Sexualität ab - gleich ob ein Kandidat hetero- oder homosexuell ist. Mit ihrer neuen Richtlinie öffnen die Bischöfe einen für katholische Verhältnisse ungewohnten Diskurs- und Erfahrungsraum. Der zum Priesteramt berufene Mann in Italien müsse sich nun mit seiner sexuellen Identität aktiv auseinandersetzen und abschätzen lernen, ob ein Verzicht auf gelebte Sexualität für ihn möglich zu sein scheint, so Kirchenrechtler Schüller.
Die Situation in Deutschland sei eine andere, so Schüller weiter. "Hier führen die Regelungen aus 2005/2016 faktisch weiter zum lang bewährten Versteckspiel von Priesteramtskandidaten hinsichtlich ihrer homosexuellen Identität." Eine wirklich reife und freie Lebensentscheidung zum Zölibat sei so faktisch unmöglich. "Wie gefährlich ein Verschweigen und Verdrängen der eigenen homosexuellen Identität ist, hat die MHG-Studie aufgezeigt", so Schüller weiter. Er hoffe, die deutschen Bischöfe würden die neue italienische Regelung übernehmen.
Deutsche Regenten kündigen Änderungen an
Die Hoffnung könnte erfüllt werden: In naher Zukunft wird auch in Deutschland eine Neufassung der Ausbildungsrichtlinien veröffentlicht. Der Vorsitzende der Deutschen Regentenkonferenz und Leiter der Fuldaer Priesterausbildung, Dirk Gärtner, sagte der KNA: "Die veröffentlichte Fassung der italienischen Ausbildungsordnung nimmt neue Erkenntnisse der Sozialforschung und der Humanwissenschaften auf." Diese seien auch bei der Redaktion der deutschen Ausbildungsordnung leitend.
"Zentral erscheint uns Regenten, innerhalb der Ausbildung einen Raum des Vertrauens und des Gesprächs zu eröffnen, der einen sorgfältigen Umgang mit diesem sensiblen und verletzlichen Bereich menschlicher Existenz möglich macht", so Gärtner. Nach der römischen Entscheidung könnte also bald auch diesseits der Alpen eine Antwort auf die Frage nach Homosexualität in deutschen Priesterseminaren erfolgen.