Italien diskutiert nach Krawallen über Umgang mit Ausländern

Rassismus oder typische soziale Probleme?

In Süditalien lieferten sich vergangene Woche afrikanische Erntearbeiter Straßenschlachten mit Einheimischen. Sie protestierten gegen "unmenschliche Arbeitsbedingungen". Nun ist in Italien eine Diskussion über den Umgang mit Ausländern entbrannt.

 (DR)

In einem Gastbeitrag für die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" (Dienstag) warf die römische Historikerin Giulia Galeotti der italienischen Gesellschaft einen weit verbreiteten Rassismus vor. Die Ausländerfeindlichkeit lasse sich nicht auf die Epoche des Faschismus beschränken, so die Historikerin. Der Text Galeottis stieß auf ein breites Medienecho. Vertreter der katholischen Kirche riefen zu Besonnenheit auf.

In der kalabrischen Stadt Rosarno hatten sich in der vergangenen Woche mehrere hundert afrikanische Erntearbeiter aus Protest gegen unmenschliche Lebensbedingungen Straßenschlachten mit Einheimischen geliefert. Der Migrationsbeauftragte der Italienischen Bischofskonferenz, Erzbischof Bruno Schettino, räumte ein, es gebe "einige Formen von Fremdenfeindlichkeit". Die Krawalle selbst seien jedoch kein Zeichen von Rassismus, sondern ein "Ausbruch typischer sozialer Probleme unserer Gesellschaft", so Schettino am Dienstag in Rom.

"Festung des erworbenen Wohlstands"
Neapels Kardinal Crescenzio Sepe warnte davor, Einwanderer unter Generalverdacht zu stellen. Einzelne Zwischenfälle würden in der öffentlichen Debatte aufgebauscht und nährten ein Klima des Misstrauens und der Angst, schrieb Sepe in einem auszugsweise vorab veröffentlichten Beitrag zum Welttag der Migranten an diesem Sonntag. Damit entstehe ein Bild von "Immigration als permanentem Notstand" und Bedrohung für die öffentliche Sicherheit. Der Kardinal appellierte zur Aufnahmebereitschaft gegenüber "denen, die das einzige Recht einfordern, das ihnen vielleicht geblieben ist: das Recht auf Leben".

Der für Migrationsfragen zuständige Kurienerzbischof Antonio Maria Veglio sprach sich unterdessen für eine liberalere Asylpolitik aus. In der italienischen Zeitschrift "Jesus" forderte der Präsident des Päpstlichen Migrantenrates, extreme humanitäre Notlagen als Asylgrund anzuerkennen. Überdies befürwortete er eine raschere Einbürgerung von Migranten. Wer eine geregelte Arbeit habe und Steuern zahle, die Gesetze und Traditionen respektiere sowie die Sprache lerne und sich in das soziale Gefüge eingliedern wolle, müsse auch am politischen Leben seines neuen Heimatlandes aktiv teilnehmen dürfen.

In dem am Dienstag vorab veröffentlichten Beitrag kritisierte Veglio zudem eine allgemeine Abschottungspolitik gegenüber Zuwanderen. Reiche Staaten schlössen sich immer mehr in einer "Festung ihres erworbenen Wohlstands" ein und verteidigten ihren Lebensstandard ohne Rücksicht auf fremde Not, so der Erzbischof.