Israels Christen können Position zwischen den Stühlen nutzen

"Fenster und Türen weit öffnen"

Christen in Israel sollten Räume der Begegnung für alle Religionen schaffen, so die Theologin Johanna Haberer. Gleichsam verweist Haberer auf die zweifache religiöse Intoleranz, unter der die zunehmend schrumpfende Minderheit leidet.

Professorin Johanna Haberer von der Abteilung Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf dem Medienkonzil der Bayerischen Landeskirche in Nürnberg im Jahr 2015 / © mck (epd)
Professorin Johanna Haberer von der Abteilung Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf dem Medienkonzil der Bayerischen Landeskirche in Nürnberg im Jahr 2015 / © mck ( epd )

Es sei die Aufgabe der Christen in Israel, in der Mitte zu stehen und die Position zwischen den Stühlen maximal auszunutzen, sie sollten Fenster und Türen weit öffnen und Räume für Begegnung schaffen, sagte Haberer dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Christen sind in Israel eine sehr kleine Minderheit, nur noch 1,6 Prozent der Bevölkerung.

Christen stehen unter zweifachem Druck

Allerdings stelle sich die Frage, wie deutlich die christliche Minderheit in diesem Land noch auftreten dürfe, sagte die emeritierte Professorin für Christliche Publizistik in Erlangen, die bis Ende Juli als Touristen-Pfarrerin in Ost-Jerusalem arbeitet.

Zum einen würden christliche Orte von jüdischen Siedlern immer wieder angegriffen, wie etwa die Benediktiner-Abtei Dormitio oder auch der evangelische Friedhof.

Blick auf die Türme der Dormitio-Abtei am 23. September 2021 in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Blick auf die Türme der Dormitio-Abtei am 23. September 2021 in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Zum anderen kämen Christen auch vonseiten der muslimischen Palästinenser unter Druck. Haberer warnte davor, sich im Nahost-Konflikt auf eine Seite zu stellen.

Legitimation von Grund- und Bodenbesitz großes Thema

Grund und Boden und die religiöse Legitimation für dessen Besitz seien ein großes Thema in Israel, sodass die Christen hier auch immer wieder unter Druck kämen.

"Ich habe den Eindruck, es geht immer um Land", sagte sie. Die Frage des Landbesitzes sei das zentrale Thema all der Konflikte, die zurzeit dort herrschten – auch der Demokratiekonflikte.

"Auch den Kräften, die gerade versuchen, die exekutive und legislative Balance zu stören, geht es hauptsächlich darum, neu zu definieren, wem das Land 'eigentlich' gehört", sagte sie mit Blick auf die Proteste gegen die Justizreform der nationalkonservativen Regierung von Premier Benjamin Netanjahu.

Heiliges Land wird absehbar "fast christenfrei" sein

Wenn man die Geschichte Israels in der Bibel anschaue, sehe man, dass sich die Probleme eigentlich nicht verändert hätten.

Pater Josef aus der Dormitio in Jerusalem / © Sr. Emmaunela (privat)
Pater Josef aus der Dormitio in Jerusalem / © Sr. Emmaunela ( privat )

"Man hat hier schon immer ethnisch gemischt gewohnt. Diese zum Teil starke separatistische Politik der jüdischen 'Frommen', gab es auch schon immer", sagte die Theologin, die mit ihrer Schwester, der Journalistin Sabine Rückert, den Podcast "Unter Pfarrerstöchtern" hostet, in dem die Geschichten der Bibel für die heutige Zeit nacherzählt werden.

Mit Blick auf die Zukunft der christlichen Minderheit schloss sich Haberer Sally Azar, der ersten evangelisch-lutherischen Pfarrerin in Palästina, an: Ähnlich wie Syrien und der Irak heute fast christenfrei seien, werde auch das sogenannte Heilige Land absehbar christenfrei sein.

Die christlichen Familien wanderten aus.

Hintergrund: Israels Siedlungsbau

Anfang 2021 hat Israel nach Angaben von Peace Now Ausschreibungen zum Bau von 2572 Siedlerwohnungen veröffentlicht. Von diesen lägen 2112 im Westjordanland und 460 in Ost-Jerusalem, teilte die israelische Menschenrechtsorganisation mit. Die Pläne sollen demnach zusätzlich zu dem kürzlich genehmigten und international kritisierten Bau von knapp 800 Wohnungen umgesetzt werden. Die Siedlungspolitik Israels ist hoch umstritten. Der UN-Sicherheitsrat hatte Israel Ende 2016 zu einem vollständigen Siedlungsstopp in den besetzten Palästinensergebieten einschließlich Ost-Jerusalem aufgefordert.

Blick auf eine jüdische Siedlung auf einem Hügel im Westjordanland nahe Bethlehem, palästinensisches Gebiet / © Julius Bramanto (shutterstock)
Blick auf eine jüdische Siedlung auf einem Hügel im Westjordanland nahe Bethlehem, palästinensisches Gebiet / © Julius Bramanto ( shutterstock )
Quelle:
epd