Israelischer Minister: Die Seligsprechung ist "inakzeptabel"

Pius XII. wird zum Politikum

Die geplante Seligsprechung von Papst Pius XII. sorgt weiter für Verstimmungen zwischen dem Vatikan und Israel. In einem am Donnerstag vorab veröffentlichten Interview der israelischen Zeitung "Haaretz" nannte Sozialminister Isaak Herzog das Vorhaben "inakzeptabel".

 (DR)

Herzog bezog sich auf das angebliche Schweigen von Pius XII. während des Holocaust. Bislang sei nicht bewiesen, dass der Papst entscheidende Schritte gegen die Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten unternommen hätte. Und dies, obwohl der Vatikan ganz genau gewusst habe, «was in Europa vor sich ging», so Herzog.

Der Postulator im Seligsprechungsprozess, Paolo Molinari, wies Herzogs Kritik als «Einmischung» zurück. Es handele es sich um eine innere Angelegenheit der katholischen Kirche, sagte Molinari laut italienischer Tageszeitung «La Repubblica». Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky verteidigte unterdessen das Verhalten von Pius XII. angesichts des Holocaust. Ein öffentlicher Protest hätte geschadet, sagte er in einem Beitrag für den RBB-Hörfunk. Geheim und diskret vorzugehen, sei der einzige Weg gewesen, um die größtmögliche Zahl von Juden zu retten. Damit habe Pius XII. Hunderttausenden das Leben gerettet. Die Kirche müsse Pius XII. also «nicht verstecken».

Erst vor wenigen Tagen hatte es eine Debatte um einen möglichen Besuch von Papst Benedikt XVI. in Israel gegeben. Solange nicht das Foto des Pacelli-Papstes samt abträglichem Kommentar aus der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem entfernt sei, könne eine solche Reise nicht stattfinden, wurde der Relator des Seligsprechungsverfahrens, Pater Peter Gumpel, in der Presse zitiert. Für Katholiken wäre schwer vermittelbar, wenn Benedikt XVI.
ein Museum besuche, in dem sein Vorgänger zu Unrecht diffamiert werde.

Auf der Tafel im sogenannten «Saal der Schande» des Museums von Jad Vaschem wird die Reaktion von Pius XII. auf die Ermordung der Juden als «kontrovers» bezeichnet. 1933 sei er als Kardinal-Staatssekretär des Vatikanstaates aktiv gewesen, um mit dem «deutschen Regime» ein Konkordat zu erlangen. Ziel sei gewesen, die Rechte der Kirche in Deutschland zu wahren, «obgleich das einer Anerkennung des rassistischen Nazi-Regimes gleichgekommen» sei, heißt es dort.

Unterdessen sprach sich auch eine Gruppe katholischer Theologen und Exponenten des christlich-jüdischen Dialogs für eine Pause im Seligsprechungsverfahren aus. Das Pontifikat Pius XII. habe bemerkenswerte Kontroversen ausgelöst, heißt es in einem von neun Hochschullehrern aus den USA, Großbritannien und Belgien unterzeichneten Schreiben.

Der Vatikan müsse noch eine Menge Archivmaterial freigeben, das von «den besten Forschern dieses Fachgebiets» aufgearbeitet werden solle, schlägt die Gruppe vor. Der Heilige Stuhl verliere an Glaubwürdigkeit, wenn er sich in der Pius XII.-Forschung ausschließlich auf Verteidiger des Pacelli-Papstes berufe.

Das Wirken von Pius XII. ist auch innerhalb der Kirche nicht unumstritten. Anlässlich des 50. Todestages hatte Papst Benedikt XVI. Anfang Oktober zum Gebet für einen guten Fortgang des Seligsprechungsverfahrens aufgerufen, das 1974 begonnen wurde. Ein abschließendes Dekret liegt Benedikt XVI. vor; er hat es aber noch nicht unterzeichnet.