Islamexperte ruft zu deutsch-türkischem Dialog auf

Miteinander reden - nicht übereinander

Christen und Muslime müssten mehr miteinander kommunizieren, fordert der Bochumer Islamwissenschaftler Stefan Reichmuth. Hintergrund ist, dass Ditib-Imame als Spitzel des türkischen Staates eingesetzt wurden.

Kirche und Moschee / © Harald Oppitz (KNA)
Kirche und Moschee / © Harald Oppitz ( KNA )

Angesichts der Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis hat der Bochumer Islamwissenschaftler Stefan Reichmuth zum interreligiösen Dialog aufgerufen. Das Vertrauen zwischen Christen und Muslimen könne nur wiederhergestellt werden, "indem man die gewachsenen persönlichen Beziehungen weiterhin pflegt, statt sich empört zurückzuziehen", sagte Reichmuth dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Essen. Die Spionage-Vorwürfe gegen Imame des türkischen Islamverbands Ditib bezeichnete er als nicht überraschend.

Schon seit längerem seien Ditib-Imame häufig als Spitzel im Dienst des türkischen Staates verdächtigt worden, erklärte der frühere Leiter des Seminars für Orientalistik und Islamwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum: "Sie werden von den Konsulaten eingesetzt und sind direkt der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt."

Feindbild: Die Gülen-Bewegung

In der Türkei sei der Prediger Fethullah Gülen, den die Regierung in Ankara für den Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich macht, zum allgemeinen Feindbild stilisiert worden. "Dass das auch in Deutschland derartige Folgen für die deutsch-türkische Community nach sich zieht, ist natürlich ziemlich ernüchternd", sagte Reichmuth.

Die Ditib-Geistlichen stehen im Verdacht, im Auftrag von Diyanet Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert zu haben. Die Bundesanwaltschaft ermittelt in dem Fall. Der Verband hatte die Spitzeleien bereits im Januar eingeräumt. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) mit Sitz in Köln ist mit rund 900 Moscheegemeinden der größte Islamverband in Deutschland. Diyanet entsendet und bezahlt die Imame für die deutschen Gemeinden.

Junge Türken pro Erdogan

Für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan begeisterten sich viele jüngere Türken in Deutschland, die sich nicht voll anerkannt fühlten, obwohl sie längst integriert seien, sagte der Experte. Sie könnten auch nicht vergessen, "dass ihre Eltern hier so schwere Startbedingungen hatten und sich für sie aufgeopfert haben".

"Diese Menschen mit ihrem latenten inneren Groll und ihren Schuldgefühlen gegenüber ihren Eltern begeistern sich jetzt umso mehr für Recep Tayyip Erdogan, der es bei seinen Besuchen in Deutschland meisterhaft verstand, sie emotional 'abzuholen'", erklärte Reichmuth, der am Seminar für Orientalistik und Islamwissenschaft auch nach seiner Pensionierung noch als Seniorprofessor tätig ist.

Berliner Moscheeverein "Fussilet 33" verboten

Unterdessen hat die Berliner Innenverwaltung den Moscheeverein "Fussilet 33" verboten. Seit dem Morgen liefen Durchsuchungen in mehreren Bezirken der Hauptstadt, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. An insgesamt 24 Orten würden Wohnungen, zwei Firmensitze sowie sechs Hafträume unter die Lupe genommen.

Das Verbot erfolgte auf Grundlage des Vereinsgesetzes. Die vom Verfassungsschutz seit längerem beobachtete "Fussilet 33"-Moschee galt als Treffpunkt der Islamisten-Szene. Regelmäßig soll dort auch Anis Amri, der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, verkehrt haben. Die Moschee war schon vor einigen Tagen nach Ende eines Mietvertrages geschlossen worden.


Quelle:
epd