Islam-Expertin kritisiert NRW-Aussetzung der Zusammenarbeit mit Ditib

Verlierer sind die Moscheegemeinden

Diskussionen um Ditib – und kein Ende. Nun will NRW die Zusammenarbeit beim islamischen Religionsunterricht vorerst aussetzen. Die Moscheegemeinden sieht Islam-Expertin Theresa Beilschmidt dabei als die eigentlichen Verlierer.

Islamischer Religionsunterricht  / © Oliver Berg (dpa)
Islamischer Religionsunterricht / © Oliver Berg ( dpa )

domradio.de: Es gibt ja viele Moscheegemeinden in Deutschland. Was macht die Ditib denn für türkische Muslime attraktiv?

Dr. Theresa Beilschmidt (Referentin des Jakobus-Hauses bei der Akademie der Diözese Hildesheim): Die Ditib wurde damals sozusagen als Antwort der türkischen Religionsbehörde Dyanet auf die sich verbreitenden Moscheegemeinden in Deutschland gegründet. Das war eine Einrichtung des türkischen Staates vor dem Hintergrund der türkischen Politik, teilweise religiös, extremistischer Bewegungen. Somit war die Ditib eine Organisation, die als ein Garant für einen moderaten Islam gesehen wurde.

domradio.de: Wie stehen die Gläubigen zu in Deutschland ausgebildeten Imamen?

Beilschmidt: Was ich in meiner Feldforschung beobachten konnte, ist, dass in den Moscheegemeinden schon moniert wurde, dass es inzwischen Sprachprobleme und Probleme pädagogischer Natur zwischen den Imamen und den Kindern, die sie unterrichten, gibt. Es äußert sich durchaus auch im Gemeindeleben, dass oft die Imame integriert werden müssen. Es fehlte allerdings schon ein klares Statement für in Deutschland ausgebildete Imame. Es wurde eher ein Mittelweg beschritten, wie er jetzt noch mit Übersetzungen oder der Predigt auf Türkisch und Deutsch durchgeführt wird.

domradio.de: Haben Sie Beispiele dafür, welche Probleme auftauchen? Auch im Hinblick auf die Kinder?

Beilschmidt: Es ist so, dass viele der türkischstämmigen Kinder heutzutage gar nicht mehr auf Türkisch sozialisiert werden und deshalb auch Probleme mit der türkischen Sprache haben. Bei den Imamen ist es oftmals so, dass sie sehr wenig Deutsch sprechen, wenn sie nach Deutschland kommen. Dann sind einfach ganz banale Sprachprobleme vorhanden. Wenn Kinder in Deutschland aufwachsen, dann sind sie auch an die Pädagogik der deutschen Schulen gewöhnt. Es ist in der Türkei dagegen immer noch oft so, dass ein sehr frontaler Unterricht stattfindet. Deshalb besteht oft eine Unzufriedenheit mit dem Unterricht.

domradio.de: Die Ditib setzt auf Imame aus der Türkei. Wie stark ist die Loyalität der Gemeindemitglieder zu ihrem Dachverband Ditib?

Bleischmidt: Da muss man sehr stark zwischen Moscheegemeinden und Dachverband unterscheiden. Beim Dachverband würde ich schon sagen, dass eine sehr starke Verbindung zur Türkei vorherrscht, auch struktureller Natur. Die Moscheegemeinden – so habe ich das empfunden – sind sehr stark in ihrer lokalen Umgebung verortet und haben auch ein Bedürfnis nach Autonomie und Unabhängigkeit. Mir wurde oftmals gesagt, dass Köln (Sitz des Dachverbandes, Anm. d. Red.) ganz weit weg von ihnen sei und Ankara erst recht. Man hat sich vor Ort positioniert, den Kontakt gesucht, sich vernetzt und Integration war in dem Sinne auch gar kein Thema, weil klar war, dass Deutschland das Zuhause ist. Natürlich ist die Türkei die emotionale Heimat. Ich finde das auch bei einer Migrantenorganisation völlig in Ordnung. Tatsächlich gibt es aber die starke Orientierung in die deutsche Gesellschaft und Umgebung.

domradio.de: Was sagen Sie zu dem Vorhaben des NRW-Integrationsministers Rainer Schmeltzer (SPD), den Dialog mit der Ditib in Sachen islamischer Religionsunterricht auszusetzen?

Bleischmidt: Ich halte das für sehr problematisch. Natürlich richtet sich das jetzt wieder gegen den Dachverband. Man muss klar sagen, dass das, was in letzter Zeit dort abläuft, wie beispielsweise die Spionagevorwürfe, sehr kritisch zu sehen sind. Das liegt auch daran, dass sich der Dachverband diesbezüglich nicht klar positioniert. Allerdings fällt das dann auf die Moscheegemeinden und die Bestrebungen, sich vor Ort einfach einzubringen, zurück. Die ganzen Bemühungen, die über die Jahre gewachsen sind, werden dadurch gefährdet.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR