Internationales Bischofstreffen im Heiligen Land

Solidarität mit der christlichen Minderheit

An diesem Samstag beginnt in Israel und dem Westjordanland ein fünftägiges internationales Bischofstreffen zur Unterstützung der Christen im Heiligen Land. Doch der Konflikt mit den Israelis ist nicht das einzige Problem für Christen.

Autor/in:
Stefanie Järkel
Christen in der Grabeskirche / © Jim Hollander (dpa)
Christen in der Grabeskirche / © Jim Hollander ( dpa )

Für Christen weltweit sind Israel und die Palästinensergebiete das Heilige Land: ein Sehnsuchtsort mit den wichtigsten religiösen Stätten in Bethlehem und Jerusalem. Dort soll Jesus nach der Überlieferung aus der Bibel geboren, gestorben und wieder auferstanden sein. Zwischen Mittelmeer und Jordan bilden die Christen allerdings nur eine kleine Minderheit - und haben nicht nur mit dem allgegenwärtigen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu kämpfen.

"Die Zahlen schrumpfen bei den arabischen Christen", sagt der Leiter der Dormitio-Abtei in Jerusalem, Pater Nikodemus Schnabel. "Die gehen weg, sie bekommen schnell woanders Asyl als Verfolgte." Die Christen seien zudem oft gut ausgebildet und gut international vernetzt - "und sie bekommen die wenigsten Kinder".

Schwierige Situation für Christen

Bischöfe aus neun Ländern wollen nun vor allem über die schwierige Situation in den besetzten Palästinensergebieten beraten. Im Westjordanland sollen unter 2,9 Millionen Menschen knapp 50 000 Christen leben, das entspricht 1,7 Prozent. In Bethlehem, traditionell eine christlich geprägte Stadt, sind laut Verwaltung weniger als die Hälfte der 33 000 Bewohner christlich. Viele seien nach Süd- oder Mittelamerika ausgewandert. In Israel leben nach Angaben des Zentralen Israelischen Statistikbüros rund 166 000 Christen - rund zwei Prozent der Bevölkerung.

Die meisten Christen in Israel sind Araber. Sie sehen sich überwiegend als Palästinenser. "Es ist bekannt, dass die palästinensische Minderheit in Israel in vielem nicht die gleichen Rechte genießt wie die jüdische Mehrheit", sagt der Propst der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem, Wolfgang Schmidt. Dies gelte zum Beispiel bei der Entwicklung von Baugebieten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Adalah hatte etwa die israelische Landbehörde (ILA) im Jahr 2013 insgesamt 44 Industriezonen in jüdischen Nachbarschaften ausgeschrieben und keine in arabischen.

"Umgekehrt kann man sagen, in Palästina haben Christen unter der Besatzungssituation ebenso zu leiden wie ihre muslimisch-palästinensischen Mitbürger", sagt der Propst. "Insofern haben sie auf beiden Seiten die entsprechenden Nachteile."

Arabische Christen Minderheit in der Minderheit

Der Historiker Amnon Ramon vom Jerusalemer Institut für Politikforschung beurteilt die Situation der Christen zwiespältig. "Das Problem der arabischen Christen ist, dass sie auf eine gewisse Art eine Minderheit in der Minderheit sind."

Rund 20 Prozent der Menschen in Israel sind Araber. Im Vergleich zu anderen Arabern hätten die meisten Christen einen sehr hohen Lebensstandard, sagt Ramon. "Da gibt es manchmal Spannungen." Sie hätten Zugang zum Arbeitsmarkt, aber Bereiche wie die Sicherheitsindustrie blieben ihnen verschlossen.

Die Christen müssten auch für sich entscheiden, zu welcher Gruppe sie sich zugehörig fühlen, sagt Propst Schmidt. "Sie haben natürlich erst recht die Identitätsfrage: Sind wir zuerst Christen, sind wir zuerst Palästinenser, sind wir zuerst Israelis?" Diese Identität müsse ständig neu definiert, erkämpft und geklärt werden.

Selbstgettoisierung

Pater Nikodemus bereitet zudem eine andere Entwicklung Sorge. "Wir beobachten eine Selbstgettoisierung", sagt der Mönch. Christen blieben am liebsten unter sich, zögen sich aus der Fläche in bestimmte Wohnviertel zurück, wie in Beit Safafa und Beit Hanina. Die Kirchen dort seien voll. "Aber die Menschen begegnen den beiden Mehrheitsreligionen mit einer wachsenden Grundskepsis."

Die arabischen Christen blickten zum Teil mit großer Sorge auf den Kampf mit dem Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS), sagt Pater Nikodemus. "Sie haben Angst davor, dass die auch hierher kommen." Er höre Sätze wie: "Den Muslimen kann man auch nicht trauen. Wir wissen nicht, was sie vom IS halten."

Anfeindungen auf der Straße

Zudem ist es in den vergangenen Jahren vermehrt zu Angriffen national-religiöser Juden auf christliche Einrichtungen gekommen. Wenn Pater Nikodemus durch die Altstadt in Jerusalem geht, spucken immer wieder Menschen vor ihm auf den Boden - oder ihn an. "Geh zurück nach Italien", sei ein Spruch, den er öfter zu hören bekomme. Für manche Angehörige dieser Gruppierung sind Christen Götzendiener, weil sie neben Gott auch seinen Sohn Jesus Christus verehren.

2014 gab es einen Brandanschlag auf die Dormitio-Abtei in Jerusalem, 2015 einen auf das Bruderkloster in Tabgha am See Genezareth. Zwei junge Männer wurden später für die Tat in Tabgha angeklagt - sie gehören laut Behörden angeblich einer radikalen Siedlerbewegung an, die schon mehrfach Anschläge begangen haben soll.


Bischöfe blicken vom Ölberg auf Jerusalem / © Harald Oppitz (KNA)
Bischöfe blicken vom Ölberg auf Jerusalem / © Harald Oppitz ( KNA )

Pater Nikodemus Schnabel vor der Jerusalemer Dormitio-Abtei / © Debbie Hill (epd)
Pater Nikodemus Schnabel vor der Jerusalemer Dormitio-Abtei / © Debbie Hill ( epd )
Quelle:
dpa