Integrationsgipfel sucht neue Wege zur Eingliederung

Zwischen Assimilierung und Multikulti

In Berlin kommen heute Vertreter aus Politik und Gesellschaft zu sammen. Gemeinsam wollen sie über  Integration in Deutschland beraten. Über den Inhalt des Begriffs gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Und dies stellt nur eine der Schwierigkeiten des von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) anberaumten "Integrationsgipfels" am Freitag dar.

 (DR)

In Berlin kommen heute Vertreter aus Politik und Gesellschaft zu sammen. Gemeinsam wollen sie über  Integration in Deutschland beraten. Über den Inhalt des Begriffs gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Und dies stellt nur eine der Schwierigkeiten des von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) anberaumten "Integrationsgipfels" am Freitag dar. So hält Lale Akgün den Gipfel für überflüssig. Im domradio-Interview sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete: "Deutschland ist doch schon viel weiter".

Anhaltende Kritik an Gästeliste
Unstrittig ist, dass ein Teil - beileibe nicht alle! - der 15 Millionen in Deutschland lebenden Menschen ausländischer Abkunft unzureichend in der Gesellschaft beheimatet sind. Immerhin hat die Hälfte mittlerweile einen deutschen Pass. Die Probleme sind hinreichend bekannt - nicht nur Lehrern und Sozialarbeitern in Berlin-Neukölln. Die Politik versäumte aber über Jahrzehnte, darauf zu antworten - im Glauben, die "Gastarbeiter" kehrten heim oder integrierten sich selbst. Erst das Anfang 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz nahm Integration als staatliche Aufgabe ernst. Der Hilferuf der Berliner Rütli-Schule, so genannte Ehrenmorde und die brennenden Autos in Pariser Vorstädten mahnten schließlich zum Handeln.

Merkel will nun mit gut 80 geladenen Gästen über Mittel und Wege sprechen, Integration nachzuholen oder künftige Zuwanderer auf ein Leben hierzulande vorzubereiten. Vor einem dreistündigen Plenum will sie zunächst mit den Gästen ausländischer Abstammung sprechen. Nach dem "Gipfel" sollen Arbeitsgruppen bis Mitte 2007 den so genannten Nationalen Aktionsplan mit Zielen und Selbstverpflichtungen erarbeiten. Begleitend ist ein Forum für Integration geplant. Zielgruppe ist dabei die zweite und dritte Zuwanderergeneration.

Für anhaltende Kritik sorgt die Gästeliste. Vor allem muslimische Vereine fühlen sich düpiert. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Ayyub Axel Köhler, nannte den Gipfel eine "Farce", und für Faruk Sen, den Direktor des Zentrums für Türkei-Studien, bringt das Treffen "inhaltlich nichts". Geladen sind hingegen der türkisch-islamische Dachverband DITIB, die Türkischen Gemeinden in Deutschland sowie Einzelpersönlichkeiten. Muslimische Verbände sollen nach den Plänen der Regierung an der für September in Bonn geplanten "Deutschen Islam-Konferenz" unter Federführung von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) teilnehmen. Dort geht es dann um das Verhältnis von Staat und Muslimen.

Kirchen setzen auf humanitäre Verbesserungen
Bei der Frage nach dem Ziel der Integration zeichnet sich nach Jahren politischer Auseinandersetzung zumindest in Kernbereichen eine Einigung ab. Die Bundesregierung verabschiedete am Mittwoch eine Erklärung aus der Feder der Integrationsbeauftragten, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), unter dem Titel "Gutes Zusammenleben, klare Regeln". Sie benennt sechs Bereiche, um die Integration zu fördern: bessere Integrationskurse, frühere Sprachförderung, bessere Ausbildung und Arbeitsmarktchancen, Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen, Integrationsbemühungen vor Ort und ein stärkeres Engagement der gesamten Gesellschaft.

Auch die Leitlinien der großen Parteien zeugen von pragmatischer Annäherung. Die SPD verlangt zwar weiterhin den Abschied vom Unions-Begriff "Leitkultur", distanziert sich auch von der Idee der Multikulturalität der Grünen. Zugleich fordert sie inzwischen aber ein "gemeinsames Verständnis von Grundwerten und Regeln, die in Deutschland gelten". Integrationsprobleme sind für sie vor alle sozial bedingt, der Zuwanderer gilt als willkommener Gast. Die Union betont stärker das fordernde, mithin sanktionierende Element und drängt auf kulturelle Angleichung. Zwischen den Extremen von Assimilierung und multikultureller Parallelgesellschaft zeichnet sich somit das Konzept einer neuen gemeinsamen Identität ab, bei der die bisherige kulturelle Prägung dominierend bleibt, äußere Einflüsse aber pragmatisch aufgenommen werden.

CSU-Chef Edmund Stoiber forderte einen "klaren Sanktionskatalog bei Integrationsverweigerung". Zuwanderer, die nicht an einem Integrationskurs teilnähmen, sollten keinen gefestigten Aufenthaltsstatus bekommen.

Jenseits aller ideologischen Fragen setzen die Kirchen vor allem auf humanitäre Verbesserungen. Ein Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer und Härtefallregelungen sind für den Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, längst überfällig. Wesentlich für gelingende Integration ist aber auch für ihn die erkennbare Bereitschaft der Zuwanderer, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu akzeptieren und "ein positives Verhältnis zu unseren kulturellen und zu unseren geistig-moralischen Werten" zu haben.
(KNA)