Pandemie trifft Senior Experten Service hart

Im Wartestand

Michael Blank hat jüngst die Geschäftsführung des Senior Experten Service übernommen. Im Interview erklärt er, welche Probleme die Pandemie einer der größten deutschen Entsendeorganisation für ehrenamtliche Fachleute im Ruhestand bereitet.

Wenn Senioren im Alter ihr Wissen weitergeben / © encierro (shutterstock)
Wenn Senioren im Alter ihr Wissen weitergeben / © encierro ( shutterstock )

KNA: Sind Sie mit 58 Jahren nicht zu jung für den Senior Experten Service (SES)?

Michael Blank (Seit Anfang April Geschäftsführer des Senior Experten Service / SES, früherer Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Ghana): Nun, ich fasse das mal als Kompliment auf, denn so richtig taufrisch bin ich ja auch nicht mehr - in rund neun Jahren gehöre ich ebenfalls zur Riege unserer Senior Expertinnen und Experten. Und, glauben Sie mir, das Erste, was ich dann machen werde, ist: Ich lasse mich beim SES registrieren!

KNA: Was qualifiziert Sie für die Aufgabe als Geschäftsführer, die Sie jetzt übernommen haben?

Blank: Während meiner gesamten beruflichen Laufbahn hatte ich mit internationalen Beziehungen, mit Wirtschaft und vor allem auch mit Menschen zu tun. Ich habe mich dabei immer für Neues begeistern lassen, bin viel gereist und habe gerne in Teams gearbeitet. Ich glaube, all das sind wichtige Voraussetzungen, um auch beim SES einen guten Beitrag leisten zu können.

KNA: Was hat Ihre langjährige Vorgängerin Susanne Nonnen Ihnen hinterlassen?

Blank: Zunächst einmal: Eine exzellent geführte Organisation mit hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein enormes Wachstum des Auslandsgeschäfts über die letzten Jahre hinweg - vor Corona - , sowie die überaus erfolgreiche Einführung neuer Aktivitäten, insbesondere hier in Deutschland im Bereich der Betreuung von Auszubildenden bei der Initiative VerA. All dies werde ich aufgreifen und weiterführen.

KNA: Was reizt Sie an der Aufgabe als Geschäftsführer einer solchen Institution?

Blank: Da gibt es speziell drei Bereiche: zum einen das Arbeiten mit dem Ehrenamt, was ich in dieser Form bisher nicht kannte. Ich denke, das ist enorm befriedigend, kann aber auch herausfordernd sein.

Unsere "Seniors" arbeiten ja nicht, weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen, und das ist eine völlig andere Ausgangssituation für den Chef. Zudem reizt mich der tägliche Umgang mit hoch motivierten, bestens ausgebildeten und sehr erfahrenen älteren Kolleginnen und Kollegen, die Kenntnisse aus unterschiedlichsten Bereichen mitbringen, und von denen man sicherlich eine ganze Menge lernen kann. Außerdem schaue ich interessiert auf die Einführung moderner und digitaler Arbeitsweisen in eine Organisation, die man auf den ersten Blick vielleicht nicht damit in Verbindung bringen würde.

KNA: Wie beeinflusst die Pandemie die Arbeit des SES?

Blank: Corona hat verständlicherweise eine sehr starke Auswirkung auf unser Kerngeschäft im Ausland. Von den normalerweise zu erwartenden 2.000 Einsätzen pro Jahr haben wir seit Anfang des Jahres noch nicht einmal 10 durchführen können. Wir hoffen aber, dass wir bis zum Jahresende 2021 auf 900 bis 1.000 Einsätze kommen, je nachdem, wie sich die Situation in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt.

Viele unserer "Senior Experts" sind schon geimpft und brennen auf ihre nächsten Einsätze.

KNA: Konnte der SES seinen Schwerpunkt in der Pandemie denn mehr auf Deutschland verlagern?

Blank: Unsere Inlandsaktivitäten haben weniger stark gelitten. Hier unterstützen unsere Ehrenamtlichen Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende, die Gefahr laufen, ihre Ausbildung abzubrechen.

KNA: Welche Ziele und Schwerpunkte nehmen Sie für Ihre Amtszeit in den Blick?

Blank: Bei meiner Bewerbung auf die Position hat man mir genau dieselbe Frage gestellt. Damals habe ich geantwortet, und dazu stehe ich heute immer noch: Digitalisierung, Fokus auf Afrika und Ausweitung des internationalen Netzwerks, zum Beispiel durch eine noch engere Kooperation mit den deutschen Auslandshandelskammern (AHKs).

KNA: Sie sind ÖPNV-Nutzer, und Radfahren gehört zu Ihren Hobbys. Welche Rolle wird der Aspekt der Nachhaltigkeit bei Ihrer Tätigkeit spielen?

Blank: Nachhaltigkeit ist uns schon jetzt wichtig und wird die Arbeit des SES in Zukunft noch stärker bestimmen. Bei der Auswahl unserer Projekte werden Umwelt- und Klimaaspekte eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Im Tagesgeschäft werden wir sicherlich mit einem stärkeren virtuellen Anteil zu Lasten von Reisen mit dem Flieger oder Auto arbeiten. Nachhaltiges Wirtschaften mit all seinen Facetten wird ein zentrales Thema auch bei der Förderung der jungen Menschen sein, die sich im Schulprogramm des SES oder im Rahmen der Initiative VerA bewegen.

KNA: Ihr Lebenslauf weist einen starken Afrika-Akzent aus, wie kann der SES von dieser Expertise profitieren? Und werden die anderen Kontinente jetzt hintenüberfallen?

Blank: Das ist richtig, das mit dem Afrikabezug. In diesen vielen Stationen konnte ich ein ziemlich gutes Netzwerk aufbauen, das mir heute noch hilft. Das heißt aber bestimmt nicht, dass die anderen Regionen für den SES weniger wichtig werden. Wir sind die größte deutsche Entsendeorganisation für ehrenamtliche Fach- und Führungskräfte und führen Projekte in über 90 Ländern durch. Neben Madagaskar und Uganda zählen da ebenso Peru, Usbekistan, Vietnam oder auch Indien mit dazu.

KNA: Berlin, New York, Lagos, Ghana, und jetzt zieht es Sie nach Bonn in NRW. Schließt sich damit ein Kreis für Sie als gebürtiger Duisburger?

Blank: Ja, ich bin in Duisburg geboren, aufgewachsen aber im benachbarten Mülheim an der Ruhr. Der Region fühle ich mich immer noch sehr verbunden, mag die Menschen hier und kann mir sicherlich vorstellen, die nächsten Jahre und Jahrzehnte hier gut und gerne zu verbringen. Und wenn das Fernweh nach New York, Accra oder sonst wohin allzu groß wird, sind ja glücklicherweise die Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn und auch Frankfurt gut erreichbar... mit dem öffentlichen Nahverkehr natürlich.

Das Interview führte Rainer Nolte.


Quelle:
KNA