Im Wahljahr setzen die Politiker auf neue Internet-Auftritte und moderne Kampagnen im Netz

Twittern wie Obama

Die Online-Strategen der NRW-Parteien liefern sich zurzeit einen Wettlauf im Netz: Sie wollen bis zur Bundestagswahl im Herbst die teils altbackenen Web-Auftritte ihrer Kandidaten aufpolieren. Im Internet haben die Politiker im Land viel Nachholbedarf. Bereits im hessischen Landtagswahlkampf hatten die Parteien den Online-Wahlkampferfolgen Obamas nachgeeifert.

 (DR)

Auch wenige Monate vor der NRW-Kommunalwahl im Juni wandeln die meisten Oberbürgermeister-Kandidaten noch auf altmodischen Pfaden im World Wide Web. Biedere Internetauftritte mit Fotos und Standard-Lebensläufen prägen das Bild. Vorbild ist nun für alle Web-Wahlkämpfer der neugewählte US-Präsident Barack Obama. Er hat beispielsweise eine Präsenz in dem populären sozialen Netzwerk Facebook. Millionen Anhänger erreichte Obama so per Knopfdruck.

Auch die Hessen haben es vorgemacht: SPD-Mann Thorsten Schäfer-Gümbel postete vom Aufstehen bis zum Schlafengehen mit wachsender Begeisterung im Kurztextdienst Twitter, allerdings ohne damit die historische Wahlniederlage der SPD verhindern zu können. Sein siegreicher Konkurrent, Ministerpräsident Roland Koch (CDU), ließ twittern (zwitschern) - von Ehrenamtlichen der Jungen Union.

«Weil wir einen intensiven Dialog mit den Wählern wollen, sammeln wir derzeit viele E-Mail Adressen. Wir haben das durchaus von Obama abgeschaut», sagt Matthias Heidmeier, Sprecher der nordrhein-westfälischen Christdemokraten. Ähnlich wie Obama wendet sich Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bereits jetzt regelmäßig per Podcast an seine Netgemeinde. Die Videobotschaft des Landeschefs heißt «Jürgen Rüttgers Direkt».

Der Wahlkampf im Internet folge anderen Regeln als in den klassischen Medien, sagt Heidmeier. «Schneller, aktueller, interaktiver, aber auch im positiven Sinne unkontrollierbarer. Das ist Chance und Risiko zugleich», sagt der Sprecher. Auch per SMS wolle die CDU vor den Wahlen ihre Anhänger mobilisieren.

Die Sozialdemokraten wollen im Wahljahr gleich mit einem ganzen Arsenal von Ideen online punkten. «Selbstverständlich werden wir die Möglichkeiten und Plattformen des Web 2.0 für den Wahlkampf nutzen. Dazu gehören soziale Netzwerke wie Facebook und Kurzmitteilungsdienste wie Twitter», sagt NRW-SPD-Sprecher Dirk Borhart. Bereits seit 2004 bloggen die Genossen. Dabei versucht die SPD auch, beim sogenannten «Negative Campaigning» vermeintliche Patzer der Regierung genüsslich aufzuspießen.

Per Computer sollen auch die SPD-Wahlkämpfer an Rhein und Ruhr geschult werden. «Wir bereiten als erste Partei in Deutschland nach dem Prinzip von Wikipedia ein Wahlkampf-Wiki für Mitglieder der NRW-SPD vor», berichtet Borhart. Dieses Instrument ersetze die klassischen Wahlkampfhandbücher. «Es bietet den Vorteil, dass es anders als ein Printprodukt, ständig aktualisiert werden kann. So können unsere Mitglieder schnell und zeitnah vom gegenseitigen Know-how profitieren», sagt der Parteisprecher.

Die NRW-FDP setze auf einen «kompletten Relaunch» ihrer Internetseite, sagt Sprecherin Kathrin Klawitter. Auch vom erfolgreichen Digital-Wahlkampf des US-Präsidenten wollen die Liberalen lernen. «Obama hat in seinem Wahlkampf bewiesen, dass man sehr erfolgreich in den direkten Dialog mit den Menschen via SMS und E-Mail eintreten kann», sagt Klawitter. «Man muss seinen Communities exklusive Informationen geben und darf sie nicht 'zuspammen'.»

«Es geht nicht darum, den Wahlkampf von Barack Obama eins zu eins zu übernehmen», sagt die Sprecherin der NRW-Grünen, Andrea Rupprath. Zudem müsse die Online-Kampagne zum sonstigen Verhalten der Partei passen. Es falle auf einen politischen Kandidaten zurück, wenn er im Netz auf Mitwirkung setze, aber ansonsten auf hierarchische Entscheidungsstrukturen vertraue. Die Grünen stünden nicht nur im Netz für «Dialog» und seien damit «glaubwürdig», sagt Rupprath. Bei der Ex-Alternativpartei darf die «Basis» also selbst bloggen.