Im Vatikan wird nach Ursachen für Williamson-Debakel gefragt

Entspannungsbemühungen und neue Entgleisungen

Zumindest an einem Punkt sind die vatikanischen Turbulenzen auf gutem Weg zu einer einvernehmlichen Lösung. Der Kontakt zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Jerusalemer Oberrabbinat, der abgebrochen zu sein schien, dürfte weitergehen. Dagegen könnten die Vorgänge der letzten Tage zu einer Spaltung der Pius-Bruderschaft führen. Denn die antisemitischen Ausfälle einiger Lefebvre-Anhänger werden intern durchaus kritisch gesehen.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Zugespitzt hat sich unterdessen die Diskussion um die Aussöhnung mit den Traditionalisten, die Benedikt XVI. mit der Rücknahme der Exkommunikation für deren vier Bischöfe erleichtern und einleiten wollte. In den Reihen der Lefebvre-Anhänger zeichnet sich derzeit ein Klärungsprozess ab - mit Spaltungstendenzen. Auch Obere der Priesterbruderschaft Pius X. lehnen weiter offen den Kurs des Zweiten Vatikanischen Konzils ab, etwa Pierpaolo Petrucci vom Priorat in der Adria-Region um Rimini. Es sei ein Fehler des Papstes gewesen, in der Blauen Moschee von Istanbul zu beten, kritisierte er.

Noch einen Schritt weiter ging Floriano Abrahamowicz, Distriktoberer für Nordost-Italien. Nach seinen Worten wurden die Gaskammern nur zu Desinfektionszwecken genutzt; die Zahl von sechs Millionen ermordeter Juden sei «symbolisch» und frei erfunden. «Ich bestätige das alles, aber ich bin kein Antisemit, weil ein Katholik unmöglich Antisemit sein kann», schüttet er im «Corriere della Sera» (Freitag) neues Öl ins Feuer. Als Antwort auch darauf zog Radio-Vatikan-Intendant Federico Lombardi seinen Samstags-Kommentar vor und betonte: «Wer die Schoah leugnet, weiß nichts vom Geheimnis Gottes und dem Kreuz Christi» - umso schlimmer, wenn es durch einen Priester oder gar einen Bischof geschehe.

Unklar schien bislang die disziplinarrechtliche Zuständigkeit für die Traditionalisten-Bischöfe und ihre Anhänger. Verantwortlich sei derzeit allein der Generalobere der Pius-Bruderschaft, Bernard Fellay, nicht die Bischofskongregation oder die Kommission Ecclesia Dei, hieß es in Vatikankreisen. Fellay hatte sich schon vor Tagen von den Holocaust-Aussagen seines Mitbruders Richard Williamson distanziert und ihm jede öffentliche Äußerung zu politischen und historischen Fragen untersagt. Bislang herrsche aber ein Schwebezustand, hört man im Vatikan: Zwar habe der Papst die Exkommunikation der vier Bischöfe aufgehoben; dennoch seien sie weiterhin suspendiert und hätten nicht die Rechte und Pflichten katholischer Bischöfe. Voraussetzung dazu sei die Zuweisung eines Titelsitzes als Weihbischof. Unklar ist, wann dieser Schritt erfolgt.

Vermutlich wird sich der Heilige Stuhl diesmal mehr Zeit für eine gründliche Überprüfung der vier nehmen. Denn inzwischen wurde auch vatikanintern Kritik an der raschen Rücknahme der Exkommunikation laut. Die Wirtschaftszeitung «Italiaoggi» zitiert den Chef der Bischofskongregation, Kardinal Giovanni Battista Re, mit Seitenhieben gegen seinen Mitbruder Kardinal Dario Castrillon Hoyos von Ecclesia Dei. Castrillon habe den Vorgang zu eilig durchgedrückt, gibt das Blatt Re wieder. Die mitzuständige Bischofskongregation habe sich übergangen gefühlt. Castrillon selbst versichert, bei der Erstellung des Dekrets an Fellay nichts von Williamsons umstrittenem Interview gewusst zu haben. Er gab sich gegenüber dem «Corriere» zuversichtlich: «Die volle Einheit wird kommen.»

Israelreise nicht in Gefahr
Die klaren Worte des Papstes, mit denen er den Juden seine unerschütterliche Solidarität bekundete und die Schoah als «ständige Mahnung gegen das Vergessen, gegen das Leugnen und gegen das Verharmlosen» bezeichnete, wurden in Jerusalem angenommen. «Der Papstbesuch im Mai ist sehr wichtig für uns, und wir erwarten ihn», signalisierte das Rabbinat seine ausgestreckte Hand und offenen Türen.

Ähnlich hatte sich zuvor schon Roms Rabbiner Riccardo di Segni
geäußert: Ein Jerusalem-Besuch könnte ein guter Anlass sein, die Verstimmungen aus dem Weg zu räumen. Israels Vatikan-Botschafter Mordechai Lewy, der stets strikt zwischen inneren Kirchenangelegenheiten und diplomatischen Beziehungen trennt, meinte, der Papst sei in Israel willkommen, wie er es zuvor war. Beobachter vermuten, dass vor diesem Hintergrund die bislang vagen Reisepläne bald konkreter werden könnten.