Im Vatikan gibt es eine zweite weibliche Führungskraft

Der Papst und die Frauen

Eine Anhebung der Frauenquote um 100 Prozent: In der Leitungsebene des Vatikan ist das mit einem Federstrich von Papst Benedikt XVI. geschehen. Die bisher einzige weibliche Führungskraft beim Heiligen Stuhl, die Ordensfrau Enrica Rosanna in der Ordenskongregation, hat seit dieser Woche eine Kollegin im Päpstlichen Rat "Iustitia et Pax".

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Es ist die römische Politikwissenschaftlerin Flaminia Giovanelli. Beide bekleiden die Position einer Untersekretärin; das entspräche einer Staatssekretärin in einem weltlichen Ministerium. Weiter schaffte es noch keine Frau, und Giovannelli ist gerade mal die dritte, die diesen Rang jemals erreicht hat.

Dem päpstlichen Menschenrechtsrat steht die Personalentscheidung freilich gut an. In ihrer eigenen Soziallehre klagt die katholische Kirche beständig Respekt vor Frauenrechten ein. Mit sturen Quotenregelungen hat das jedoch nichts zu tun. Aus lehramtlicher Sicht hat der Schöpfer den Menschen mit Bedacht als Mann und Frau gestaltet. In seiner Neujahrsansprache vor Diplomaten warnte Benedikt XVI. deshalb just wieder davor, "im Namen des Kampfes gegen die Diskriminierung die biologische Grundlage der Unterscheidung der Geschlechter anzutasten". Andererseits erwog er früher auch schon, den Frauen, die zum Großteil das kirchliche Leben an der Basis tragen, "auch im Leitungsdienst mehr Raum, mehr Verantwortungspositionen" zu bieten.

Nach und nach profiliert
Giovanelli bietet dafür offensichtlich die richtigen Voraussetzungen: Akademikerin, weltläufig, sprachgewandt und grundständig katholisch. 1948 in Rom geboren, legte sie ihr Abitur an der internationalen Ecole Europeenne in Brüssel ab. Auf ein politikwissenschaftliches Diplom sattelte sie eine Ausbildung als Bibliothekswissenschaftlerin an der ehrwürdigen Vatikanbibliothek und ein Studium der Religionswissenschaften an der Päpstlichen Universität Gregoriana drauf. Zwischendrin, als 26-Jährige, stieg sie als kleine Fachreferentin bei "Iustitia et Pax" ein. Nach und nach profilierte sie sich in der Kirchenbehörde mit Sitz im römischen Stadtteil Trastevere als Expertin für entwicklungspolitische Fragen.

Als solche pflegte sie wichtige Kontakte zu Einrichtungen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der Europäischen Union oder dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC). Nebenbei sitzt sie auch noch in der ökumenischen Kontaktgruppe des Heiligen Stuhls und des Weltkirchenrats. Letztlich unter Giovanellis Federführung entstand das vatikanische Moratorium zur globalen Wirtschaftskrise - die Forderung eines neuen Finanzsystems, veröffentlicht im Vorfeld der Doha-Runde 2008. Im März Jahres organisierte sie eine große Konferenz zur Rolle der Frau bei der Förderung der Menschenrechte.

Wachsender Anteil in der Arbeitswelt
Ihre jetzige Ernennung komplettiert den Umbau der Leitungsspitze im
Menschenrechts- und Entwicklungsministerium des Papstes. Erst im Oktober hatte Benedikt XVI. Kardinal Peter Kodwo Appiah Turkson zum Nachfolger von Kardinal Renato Raffaele Martino ernannt. An der Seite des aus Ghana stammenden Präsidenten sitzt ebenfalls seit Oktober Bischof Mario Toso, bislang Rektor der römischen Salesianer-Universität.

Dass Frauen einen wachsenden Anteil in der Arbeitswelt behaupten und damit auch Führungsrollen reklamieren - dieser Trend färbt vielleicht auch auf den Vatikan ab. Was Spitzenpositionen angeht, sind Frauen allerdings auch in weltlichen Bereichen stark unterrepräsentiert: In den großen US-Konzernen beispielsweise machen Managerinnen gerade einmal zwei Prozent aus - gegenüber 98 Prozent männlichen Kollegen.

Der Vatikan scheint indessen noch ein bisschen unsicher, wie er mit dem neuen Phänomen umgehen soll: Als in der Umbruchszeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) die Australierin Rosemary Goldie als Pionierin in die Chefetage des Laienrats einzog, nannte das Päpstliche Jahrbuch sie respektvoll "Vice-Segretaria" - Vizesekretärin. Rosanna in der Ordenskongregation wird hingegen unter der männlichen Form "Sotto-Segretario" geführt. Bleibt abzuwarten, welchen Titel Flaminia Giovanelli erhält.