Franz-Josef Bode seit 25 Jahren Bischof von Osnabrück

"Ich fühle mich gar nicht so verändert"

Seit 25 Jahren ist Franz-Josef Bode Bischof von Osnabrück. Deutschlands dienstältester Diözesanbischof über Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kirche, Kritik am Reformweg der deutschen Katholiken und seine Pläne für die Zukunft.

Bischof Franz-Josef Bode / © Lars Berg (KNA)
Bischof Franz-Josef Bode / © Lars Berg ( KNA )

KNA: Als Sie vor 25 Jahren nach Osnabrück kamen, waren Sie mit 44 Jahren der jüngste Diözesanbischof Deutschlands. Im kommenden Jahr werden sie 70 und sind der dienstälteste. Wie hat Sie das Amt verändert?

Bischof Franz-Josef Bode (Bischof von Osnabrück): Ich fühle mich gar nicht so verändert. Die Weise, wie ich vor 25 Jahren hier aufgenommen wurde, hat das Bischofsein geprägt: offen zu sein, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, nicht nur auf die katholische Welt zu schauen. In Osnabrück ist es selbstverständlich, dass man in der Ökumene lebt, dass man mit den anderen Religionen in Kontakt ist. Die Stadt trägt ja auch den Titel "Friedensstadt" aufgrund des hier und in Münster geschlossenen Westfälischen Friedens 1648. Veränderung liegt eher darin, dass ich erst 14 Jahre "Jugendbischof" der Deutschen Bischofskonferenz war und jetzt schon lange Jahre als Vorsitzender der Pastoralkommission für Erwachsenenseelsorge zuständig bin. Und dann gab es natürlich die normalen biografischen Veränderungen. Und ich habe diese schwere Krankheit 2018 gehabt. Das war ein großer Einschnitt.

KNA: Nicht zuletzt wegen der Erkrankung zählen Sie in der Corona-Krise zur Risiko-Gruppe. Viele Menschen - selbst Präsidenten - leugnen oder verharmlosen die Gefahr durch das Virus. Wie bewerten Sie das?

Bode: Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Die Pandemie ist auch uns in der Bistumsleitung sehr nahe gekommen, ein Domkapitular ist an Covid-19 verstorben. Ich bin der Meinung, dass wir uns den Überlegungen der Wissenschaftler und Politiker fügen müssen. Es braucht eine gemeinschaftliche Anstrengung. Wir müssen Kontakte reduzieren. Natürlich muss es Ausnahmen geben für Einsame, Kranke und Sterbende. Auch freuen wir uns als Kirche, wieder Gottesdienste feiern zu können. Vielen Menschen bedeutet das etwas in dieser Zeit. Ich wünschte mir allerdings, dass es auch für die Kultur mehr Freiheiten gäbe. Das sind Dinge, die die Menschen derzeit dringend brauchen.

KNA: Der Einfluss von Populisten in der Politik nimmt weltweit zu. Sehen Sie eine Gefahr für Frieden und Demokratie?

Bode: Ja, sehr. Immer wenn vereinfacht, schwarz-weiß gemalt wird, es angeblich ganz einfache Lösungen gibt, dann wird es schwierig. Weil die Menschen nicht mehr differenzieren. Das Leben ist nicht so eindeutig. Vereinfachung ist auch eine Gefahr für die Kirche. Der Reformprozess der deutschen katholischen Kirche etwa, der Synodale Weg, erfordert ein hohes Maß an Differenzierung. Deshalb wird es auch nicht so schnell gehen. Und am Ende werden wir auch nicht drei, vier Sätze haben, die die Dinge für die Zukunft lösen.

KNA: Die Corona-Pandemie wird wohl zu einer Epoche. Wie verändert die Krise die Kirche?

Bode: Sie wird die Kirche wahrscheinlich grundlegend verändern. Es wird vieles beschleunigt, was wir für die kommenden zehn Jahre erwartet haben: der Rückgang der Kirchensteuer, der Rückgang der Kirchenmitgliedszahlen. Gleichzeitig aber gibt es durch die Krise Entschleunigung. Wenn zum Beispiel der geschäftige Rummel an Weihnachten wegfällt, könnte das zu einem intensiveren Erleben des Festes führen. Viele Christen haben erkannt, dass sie selbst Gottesdienste feiern können, die nicht an die Eucharistie und an Priester gebunden sind. Es gibt aber weiter eine große Sehnsucht nach der Eucharistie. So sind auch neue Formen von Gottesdiensten entstanden, gestreamte Feiern aus Gemeinden, aber auch solche vor leeren Bänken. Die Menschen können sie einzeln etwa am Krankenbett verfolgen. Und das nicht nur live, sondern auch noch Tage danach.

KNA: Die Missbrauchsfälle haben zu massivem Glaubwürdigkeitsverlust der katholischen Kirche und zu Austritten geführt. Wie lässt sich das Vertrauen wiedergewinnen?

Bode: Das ist eine Frage, die mich sehr besorgt. Ich glaube, das gelingt nur, wenn wir ganz und gar transparent mit der Aufarbeitung umgehen und in allen Bereichen so glaubwürdig wie möglich sind. Wir Geistliche sollten auch in unserem Lebensstil, in der Beziehung zu den Menschen demütiger werden. Die Menschen müssen merken: Die stehen zu ihren Fehlern. Nur so werden wir Schritt für Schritt Vertrauen neu gewinnen. Was mich freut, ist der weiterhin große Zulauf an unseren Schulen. Man vertraut nach wie vor junge Menschen der Kirche an. Aber auch die karitative Beratung und Begleitung genießt hohes Vertrauen. Schon deshalb dürfen wir uns aus diesen Bereichen nicht zurückziehen.

KNA: Sie gelten als Reformer und machen Frauen in der katholischen Kirche immer wieder Mut in Bezug auf ein Weiheamt wie das Diakonat. Ist das überhaupt realistisch?

Bode: Ich weiß, dass das nicht in Kürze realisiert werden kann. Ich halte allerdings eine Diakonenweihe für realistischer als die Priesterweihe. Wir brauchen Visionen. Es hätte wohl niemals Veränderungen in der Kirche gegeben, wenn Menschen sich nicht für etwas eingesetzt hätten, dessen Ziel sie selbst vielleicht gar nicht mehr erreichen. Viele aktuelle Themen haben schon das Zweite Vatikanische Konzil beschäftigt und begleiten die Kirche seither. Aber wir haben sie noch nie in dieser Offenheit und Konkretheit besprochen wie jetzt.

KNA: Rom mahnt immer wieder die deutsche Kirche, im Reformprozess nicht die Weltkirche aus den Augen zu verlieren. Eine berechtigte Kritik?

Bode: Wenn es nicht als "Totschlagargument" gebraucht wird, ist es durchaus konstruktive Kritik. In anderen Regionen der Welt sehen die Menschen ganz anders auf Kirche und auf Fragen von Gleichberechtigung, Beziehung oder Sexualität. Papst Franziskus spricht immer von Inkulturation, von der Berücksichtigung der
jeweiligen Eigenart einer Kultur. Die braucht es aber auch bei uns mit unseren Werten von Freiheit und Gleichberechtigung. Und Themen wie "Kirche der Beteiligung", das Verhältnis von Laien und Priestern, von Männern und Frauen oder das Zölibat sind in allen Teilen der Welt an der Tagesordnung, besonders bei den jungen Menschen. Dass der Priestermangel uns alle herausfordert, über das Priesteramt nachzudenken, gehört dazu.

KNA: Sie haben mindestens weitere fünf Jahre im Amt vor sich. Sind Sie bereit dafür?

Bode: Ja, ich bin bereit. Ich wusste, dass es bis 75 Jahre geht. Und ich möchte das auch gern annehmen. Nach der Corona-Krise wird eine gewisse Kontinuität wichtig sein. Ich möchte meine Erfahrungen aus 25 Jahren hinüberbringen über diesen epochalen Einschnitt und gemeinsam mit dem Bistum ein neues Zukunftsgespräch führen. Dabei soll diskutiert werden, wie wir Christen in einer säkularen Welt leben wollen und was finanziell künftig für die Kirche noch möglich ist. Ich möchte eine Grundlage schaffen, auf der ein neuer Bischof aufbauen kann. Zudem schaue ich auf zwei Großereignisse in Osnabrück: 2022 die Eröffnung der bundesweiten "Woche der Brüderlichkeit" der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und 2023 die Feiern zu 375 Jahre Westfälischer Friede.

Das Interview führte Johannes Schönwälder. 

Das Bistum Osnabrück

Sonnenschein am Dom zu Osnabrück / © Nicolas Ottersbach (DR)
Sonnenschein am Dom zu Osnabrück / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Das Bistum Osnabrück besteht seit mehr als zwölf Jahrhunderten. Die Anfänge liegen im Jahre 780, als Kaiser Karl der Große in Osnabrück eine Missionsstation errichtete. Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich die räumliche Gestalt des Bistums Osnabrück mehrfach.

Quelle:
KNA
Mehr zum Thema