Hunger gefährdet Ostafrikas Entwicklung und schürt Konflikte

Die schlimmste Dürre seit 40 Jahren

Millionen Menschen in Somalia, Kenia und Äthiopien sind von Hunger betroffen. Auf dem Spiel steht nicht nur ihr Leben, sondern auch die Langzeitentwicklung der Region.

Autor/in:
Markus Schönherr
Ein Mann geht im Südsudan über eine vertrocknete Wiese an einer verhungerten Kuh vorbei. / © Paul Jeffrey/CNS photo (KNA)
Ein Mann geht im Südsudan über eine vertrocknete Wiese an einer verhungerten Kuh vorbei. / © Paul Jeffrey/CNS photo ( KNA )

Vertrocknete Kuhkadaver an den Straßenrändern, verdorrte Felder: Das Horn von Afrika erlebt derzeit die schlimmste Trockenperiode seit über 40 Jahren. Mehr als 13 Millionen Menschen sind im ersten Jahresviertel von Hunger betroffen, warnte vorige Woche das Welternährungsprogramm WFP. Doch die Folgen der Dürre reichen noch weiter: Sie könnten Experten zufolge Konflikte schüren und Ostafrikas Entwicklung noch auf Jahre hin ausbremsen.

Täglicher Überlebenskampf

"Während der letzten Dürre überlebten wir von Tag zu Tag, aber diese hier ist schlimmer als je zuvor", sagt Omar, ein Familienvater im Süden Somalias. Für seine Kinder bleibe nur noch eine Mahlzeit am Tag. Damit ist die Familie nicht allein, wie ihr gehe es inzwischen jedem dritten Haushalt in dem umkämpften Land, berichtet die Organisation Save The Children.

Kinder leiden unter Hunger / © JLwarehouse (shutterstock)
Kinder leiden unter Hunger / © JLwarehouse ( shutterstock )

Sie fürchtet, dass sich am Horn von Afrika eine tragische Geschichte wiederholen könnte: Bereits vor zehn Jahren starben nach einer Dürre mehr als eine Viertelmillion Menschen, die Hälfte davon Kinder unter fünf Jahren. "Unsere Sorge ist, dass das gegenwärtige politische Klima das Leid der somalischen Bevölkerung in den Schatten rücken lässt," sagt der Landesdirektor von Save The Children, Mohamud Mohamed.

Nationaler Notstand in Kenia

Hassan Khannenje

"Hunger erhöht die Konkurrenz um die begrenzten Ressourcen."

Im Nachbarland Kenia ist die Lage kaum besser. Hier rief die Regierung bereits im September den nationalen Notstand aus, inzwischen sind knapp drei Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Tomson Phiri ist Mitarbeiter des WFP in Genf. Er berichtete nun nach seiner Rückkehr aus dem Krisengebiet: "Tote Tiere am Straßenrand sind ein allgegenwärtiger Anblick. Sie wurden nicht von Autos überfahren, sondern starben massenhaft an Hunger und Durst." Während Hirten ihrem Vieh beim Sterben zusehen, werden Lebensmittelvorräte knapp: Auf einigen Märkten kostet Getreide inzwischen das Fünffache des normalen Preises.

Auch abseits der ausgetrockneten Felder, in der Hauptstadt Nairobi, schrillen die Alarmglocken. Als Konflikt- und Politikforscher kennt die Misere, die umherziehende Viehhirten in diesen Tagen plagt: "Hunger erhöht die Konkurrenz um die begrenzten Ressourcen. Das führt oft unweigerlich zu Konflikten um Wasser, Weideland und selbst Lebensmittelrationen, die von Regierung und Hilfsorganisationen verteilt werden."

Langzeitentwicklung leidet unter Nahrungsmangel

Bereits 2021, in den ersten Dürrewochen, brachen im trockenen Norden Kenias blutige Scharmützel aus. Gekämpft wird mit Pistolen aus den benachbarten Bürgerkriegsländern Südsudan, Somalia und Äthiopien. Immer wieder gibt es auch Tote. "In ihren Augen ist es besser, selbst zu sterben, als ihr Vieh verenden zu sehen", berichtete James Galgallo von der Caritas Isiolo in Zentralkenia.

Darüber hinaus leidet laut Khannenje Ostafrikas Langzeitentwicklung unter dem Nahrungsmangel. Der Leiter der Denkfabrik Horn Institute weiß: "Hunger hemmt die lokale Produktivität der Bürger und schränkt somit das Wirtschaftswachstum am Horn von Afrika ein. Außerdem führt es dazu, dass Regierungen wichtige Gelder für Lebensmittelhilfe ausgeben, die eigentlich in Gesundheit, Infrastruktur und Arbeitsplatzschaffung fließen sollten", so Khannenje.

Wetterextreme verschärfen Situation

Eine baldige Entspannung ist laut Experten nicht in Sicht. Entscheidend werde, wie üppig die bevorstehende Regensaison von März bis Mai ausfällt, berichtet die Arbeitsgruppe für Ernährungssicherheit der ostafrikanischen Staatengemeinschaft IGAD. "Leider ist diese Saison für ihre Unberechenbarkeit berüchtigt. Globale Modelle deuten auf ein hohes Maß an Unsicherheit hin."

Während das südliche Afrika in den vergangenen Wochen unter Tropenstürmen und Überschwemmungen litt, ringt der Osten des Kontinents zunehmend mit dem anderen Wetterextrem. "Somalia hatte immer schon Dürren, und die Somalier wissen, wie es läuft - sie leiden, verlieren Vieh, zählen ihre Verluste und kommen wieder auf die Beine", weiß Save-The-Children-Vertreter Mohamed. Doch nun würden die Abstände zwischen den Krisen immer kürzer. "Das ist ein tödlicher Kreislauf, der die somalischen Kinder ihrer Zukunft beraubt."

Quelle:
KNA
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