Um 21.37 Uhr, zum Zeitpunkt des Anschlags, erklangen drei Glockenschläge für die drei Menschen, die bei dem Anschlag vom 23. August 2024 getötet wurden. Viele Anwesende sangen das Lied "We pray for Peace" (Wir beten für Frieden) mit. "Nehmt diesen Moment des Friedens mit und erzählt davon, gebt den Frieden weiter", sagte die Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Solingen, Ilka Werner.
Anschließend stellten die Menschen ihre Kerzen am Gedenkstein vor der evangelischen Stadtkirche ab. Die beiden großen Kirchen hatten zu dem stillen Gedenken eingeladen. Sie verteilten 300 Kerzen, viele Besucher brachten zudem eigene Kerzen mit. Als Abschluss der Gedenkveranstaltungen ist am Sonntag in einem Gottesdienst in der evangelischen Stadtkirche ebenfalls an die Tat und ihre Folgen erinnert worden. Er wünsche sich oft, "Gott möge solche schrecklichen Taten einfach nicht zulassen", sagte Pfarrer Joachim Römelt, der nach dem Anschlag als Notfallseelsorger vor Ort war, in seiner Predigt. "Wir sehen jeden Tag unsägliches Leid, das Gott nicht verhindert."
Keine Antwort auf das Warum
Eine Antwort auf das Warum habe er nicht, aber er glaube, dass Gott da sei, die Not teile und sich von Leid und Unrecht berühren lasse. Zu Schmerz, Not, Trauer und Zorn sage Gott: "All das schreit zu mir von der Erde. Und auch wenn es sich oft anders anfühlt: Mit all dem seid ihr nicht allein."
Römelt betonte, wie wichtig Anteilnahme und Mitgefühl seien, die viele Menschen nach dem Anschlag gezeigt hätten, etwa durch Blumen und Kerzen vor der Stadtkirche. Sie stünden für Menschlichkeit und ein friedliches Zusammenleben. Die Gesellschaft krankt nach den Worten des evangelischen Theologen daran, dass es schwieriger geworden sei, miteinander ins Gespräch zu kommen und verständnisvoll und sachlich statt hasserfüllt miteinander zu reden.
Auf allen Ebenen der Gesellschaft müsse das respektvolle Gespräch neu gelernt werden, statt einander polemisch anzugreifen, sagte Römelt: "Schlagworte, Etiketten, Schubladen, markige Sprüche gibt es gerade viel zu viel. Lasst uns daran arbeiten, dass das anders wird. Und immer wieder etwas dafür tun, dass Hass und Terror niemals ihr Ziel erreichen."
Gewalt lästert und dient nicht Gott
Er sei zornig darüber, wie wenig es brauche, Menschen tief zu verängstigen und Unsicherheit in eine ganze Stadt zu bringen, erklärte der Theologe und verwies auf das dritte der zehn Gebote, "Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen!" Er könne sich "keinen schlimmeren Missbrauch vorstellen, als Menschen im Namen Gottes zu töten oder schwer zu verletzen". Dem Attentäter und "allen, die ihm das eingeflüstert haben" oder es irgendwo auf der Welt genauso machen, würde er am liebsten ins Ohr schreien, dass sie mit ihrer Gewalt Gott lästern und nicht dienen, sagte Römelt. Wenn das dritte Gebot ernst genommen würde, "würde es so viel Schrecken in dieser Welt nicht geben".
Der syrische Asylbewerber und mutmaßliche Islamist Issa al H. hatte vor einem Jahr beim Solinger Stadtfest zum 650-jährigen Bestehen eine 56-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 56 und 67 Jahren mit einem Messer getötet und acht Besucher durch Stiche verletzt, mehrere von ihnen lebensgefährlich. Am Samstagmittag war bereits mit einer öffentlichen Gedenkfeier auf dem Fronhof, dem damaligen Tatort neben der Stadtkirche, an den Anschlag erinnert worden. Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) riefen in Ansprachen zum Einsatz für eine offene Gesellschaft auf.