Human Rights Watch gegen Handel mit Diamanten aus Simbabwe

"Schlimmste Verfehlungen"

Simbabwe darf künftig wieder Diamanten zu exportieren. Das Land erhielt dafür die Genehmigung vom sogenannten Kimberley-Prozess, der sogenannte Blutdiamanten verhindern will. Im domradio.de-Interview: Marianne Heuwagen, Leiterin der deutschen Sektion von Human Rights Watch, zu den Menschenrechtsverletzungen in der Maranga-Mine in Simbabwe.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

domradio.de: Nun gibt es das Regelwerk mit dem Namen "Kimberley-Prozess", dem 75 Staaten beigetreten sind, aber das Problem besteht weiterhin. Von welchem Ausmaß sprechen wir hier?
Marianne Heuwagen: Die EU-Kommission geht davon aus, dass nur noch ein ganz kleiner Teil der Diamanten, die heute im Handel sind, so genannte Blutdiamanten sind. Als kritische Region gelten weiterhin Sierra Leone und auch die Elfenbeinküste. Human Rights Watch hat bisher lediglich mit dem Diamantenhandel in Simbabwe und in Angola, der auch zu wünschen übrig lässt, Erfahrungen gemacht.

domradio.de: Bleiben wir mal beim Beispiel Simbabwe. Hier wird in der Marange-Mine gefördert. Unter welchen Bedingungen, und wer steckt sich da die Gewinne in die Tasche?
Marianne Heuwagen: Human Rights Watch hat im letzten Jahr einen großen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen in den Marange-Goldminen veröffentlicht und sie haben dort schlimmste Verfehlungen festgestellt. Nicht nur Zwangsarbeit von Erwachsenen, sondern sogar von Kindern. Wir haben dort gesehen, dass die Arbeiter geschlagen wurden, einige gefoltert, manche sind sogar umgebracht worden. Weil die Marange-Minen erst sehr spät, 2006, entdeckt worden sind, werden sie inzwischen streng vom simbabwischen Militär kontrolliert, und es ist auch bis jetzt völlig unklar, wo die Einkommen genau hinfließen. Man vermutet, dass sie wirklich in die Taschen der führenden Mitglieder der Regierungspartei Zanu-PF fließen, gerade weil auch demnächst wieder Wahlen anstehen. Und dass das Militär damit finanziert wird. Es ist alles unklar. Simbabwe hat versprochen, die Situation zu verbessern, aber bis jetzt ist nichts geschehen.

domradio.de: Und weil eben nichts geschehen ist, fordern sie den Ausschluss Simbabwes aus dem Kimberley-Prozess. Welche Konsequenzen hätte dies für die Regierung?
Marianne Heuwagen: Simbabwe hätte dann ganz große Schwierigkeiten, seine Diamanten zu verkaufen. Die werden ja heute zum Teil schon illegal aus dem Land herausgeschmuggelt und über Mosambik nach Südafrika oder in die Vereinigten Arabischen Emirate geflogen. Also der Verkauf der Diamanten würde noch schwieriger werden. Wir gehen aber davon aus, dass Simbabwe sich langfristig den Regeln des Kimberley-Prozesses unterwerfen müssen wird, wenn der Prozess seine Integrität bewahren wird. Und dafür müssten eigentlich die Staaten sorgen, die jetzt darin vertreten sind.

domradio.de: Dieser Kimberley-Prozess, das ist ein Zertifikationssystem für Diamanten weltweit. Da geht es nicht um die Reinheit oder den Schliff, sondern um die Herkunft der Diamanten. Es gibt aber weiterhin illegalen Handel mit Diamanten. Warum scheint das nicht zu funktionieren?
Marianne Heuwagen: Der Kimberley-Prozess funktioniert ja in manchen Ländern besser als in anderen. Er muss aber besser umgesetzt werden. Ich brachte ja eben schon das Beispiel aus Simbabwe, wo die Diamanten in andere Regionen geschmuggelt und dann dort verkauft werden. Wir haben auch festgestellt, dass manchmal sogar Kimberley-Prozess-Zertifikate regelrecht gefälscht werden. Der Kimberley-Prozess kann nur so stark sein wie die Länder, die daran teilnehmen und wie die Länder auf seiner Umsetzung bestehen. Das heißt, das, was im Kimberley-Prozess als Ordnungsmechanismus geschaffen ist, ist eigentlich ganz gut, es muss nur besser umgesetzt werden.

domradio.de: Viele Kritiker sagen, der Kimberley-Prozess sei gescheitert. Das würden sie so nicht unterschreiben.
Marianne Heuwagen: Nein. Wir sind nicht der Meinung, dass er gescheitert ist. Wir wollen auch den Prozess erhalten, wir wollen ihn aber effektiver gestalten. Sie müssen sich vorstellen, dass dies ein ganz komplizierter Prozess ist, an dem nicht nur Regierungen und die Industrie beteiligt sind, sondern auch die Zivilgesellschaft mitarbeitet. Und der Kimberley-Prozess müsste unserer Meinung nach dringend reformiert werden, damit auch Menschenrechtsverletzungen und der Missbrauch von Regierungen darin geahndet werden. Bis jetzt ist es ja so, dass die Dimanten, die beispielsweise in Simbabwe gefunden werden, offiziell eigentlich gar nicht unter den Kimberley-Prozess fallen, weil der sich ja in erster Linie mit Blutdiamanten aus kriegerischen Konflikten befasst. Und eine Regierung, die ein Land oder eine Bevölkerung ausbeutet und unterdrückt, gehört ja nun nicht dazu. Deshalb müsste man auch Menschenrechtsverletzungen und Missbrauch von Regierungen in die Kriterien miteinbeziehen. Ein zweiter Punkt, der reformiert werden müsste, ist die Tatsache, dass bis jetzt sämtliche Entscheidungen im Kimberley-Prozess einstimmig gefasst werden müssen, und das macht natürlich so harte Entscheidungen wie die Frage, ob man Simbabwe ausschließen soll oder nicht, besonders schwierig.
Interview: Stephanie Gebert