In Hongkong gerät die Religion ins Visier Pekings

Sinisierung der Religionen

Seit Einführung des chinesischen Gesetzes über die Nationale Sicherheit im Sommer 2020 ist es still geworden in Hongkong. Keine Demonstrationen mehr, Aktivisten wurden reihenweise verhaftet, angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt.

Autor/in:
Michael Lenz
Die St. Teresa-Kirche in Kowloon Tong, Hongkong / © Jack Hong (shutterstock)
Die St. Teresa-Kirche in Kowloon Tong, Hongkong / © Jack Hong ( shutterstock )

Betroffen von der Unterdrückung seien zunehmend auch die Religionen in der Sonderverwaltungszone Hongkong, wie ein Bericht Ende Januar feststellte. Vorgestellt wurde er bei einem internationalen Treffen in Washington DC zum Thema Religionsfreiheit. Sein Titel: "Feindliche Übernahme: Die KPCh und die Religionsgemeinschaften in Hongkong", Autorin ist die Katholikin Frances Hui. (KPCh ist kurz für "Kommunistische Partei China".) 

Das 2020 eingeführte National Security Law (NSL) und andere Gesetze richteten sich gegen religiöse Menschen, so die Autorin. Hui war Aktivistin in den sozialen Bewegungen Hongkongs. Ihre Kolumne "Ich komme aus Hongkong, nicht aus China" war 2019 sehr populär.

Während der Demokratieproteste 2019 und 2020 informierte Hui die US-Regierung über die Lage in Hongkong und organisierte weltweit Solidaritätskundgebungen mit Tibetern, Uiguren, Taiwaner sowie chinesischen Dissidenten.

Über Frances Hui

Nach dem Abschluss ihres Journalismus-Studiums in den USA kehrte Hui zwar nach Hongkong zurück, verließ die Stadt aber nach dem Erlass des NSL. Als erste Hongkonger Demokratieaktivistin erhielt sie in den USA politisches Asyl. Im Dezember 2023 setzte Hongkong auf Hui ein Kopfgeld von umgerechnet 118.000 Euro aus. 

In ihrem Bericht schreibt Hui: "Die Religionsfreiheit in Hongkong verschlechtert sich. Augenzeugen, die zu diesem Bericht beigetragen haben, beschreiben detailliert die Art und Weise, wie die Kommunistische Partei Chinas religiöse Menschen und Institutionen in Hongkong unter Druck setzt - wenn nicht sogar verfolgt. 

Zu den Warnzeichen für das, was kommen wird, zählen Pekings Sinisierung der Religion, der Einsatz von Religionsunterricht zur Indoktrination, die Einschüchterung von Geistlichen, Selbstzensur und direkte Angriffe auf die Religion und die Gläubigen."

Vorschriften beim Predigen

Geistliche müssten in Predigten die Gemeinden mahnen "sich an sozialistische Werte zu halten und die Durchsetzung der nationalen Sicherheit zu akzeptieren". In Schulen seien Fahnenappelle sowie in den Klassenzimmern chinesische Staatsflaggen Pflicht und in den Lehrplänen "Patriotismus" als Synonym für Loyalität zur KPCh verankert worden. 

"Etwa 60 Prozent der Schulen in Hongkong sind konfessionsbasiert und werden größtenteils von Katholiken und anderen christlichen Konfessionen betrieben", so Hui.

Pekings Erzbischof in Hongkong

Im November 2023 besuchte Pekings Erzbischof Joseph Li Shan Hongkong. Er ist zugleich Präsident der staatlichen "Chinesischen katholischen Patriotischen Vereinigung" (CPA). Im Interview mit "Kung Kao Po", der katholischen Wochenzeitung des Bistums, bezeichnete er die Kirche in Hongkong fünf Mal als "unsere Diözese". 

Blick auf Hongkong (shutterstock)

Den in den Kardinalsstand erhobenen Hongkonger Bischof Stephen Chow Sau-yan titulierte Li konsequent nur als "Bischof". Diese Ausdrucksweise sei von Katholiken "als politische Geste zur Untergrabung der Unabhängigkeit der Kirche in Hongkong und als Ausübung von Dominanz verstanden", schrieb Hui.

Im September 2023 fuhr eine erste Gruppe von Priestern, Seminaristen, Diakonen und Ordensleuten aus Hongkong zum "Austausch" nach China. Die Reise sei in Hongkong nicht veröffentlicht worden, so Hui. Ein nur als "Reverend A." zitierter Priester habe ihr gesagt, die Anwesenheit von Beamten des Verbindungsbüros der KPCh für Hongkong, Vertretern der CPA und der Religionsbehörde sowie Sinisierungs-Seminare an der chinesischen Renmin-Universität hätten deutlich gemacht, dass es "nicht um Austausch, sondern um Gehirnwäsche" gegangen sei. 

Religionen in Peking

Im Januar 2024 sei laut einer Quelle der Diözese Hongkong eine zweite Gruppe von Geistlichen in Peking erwartet worden. Betroffen von der Sinisierung der Religionen sind auch Hongkongs Muslime. 2023 reisten islamische Organisationen auf Einladung Chinas in die autonome Uiguren-Provinz Xinjiang im Nordwesten der Volksrepublik. 

Anschließend sagte Azizul Rahman Suffiad, Vorsitzender der Islamischen Union von Hongkong, die Uiguren "in Xinjiang sind sehr glücklich und fröhlich, genießen die volle Religionsfreiheit". Früher, so Hui, habe Azizul Rahman Suffiad China wegen der Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren kritisiert. "Jetzt plappert er die chinesische Propaganda nach."

Hui ist nicht die erste, die eindringlich vor dem Niedergang der Religionsfreiheit in Hongkong warnt. Im November 2023 veröffentlichte der Katholik Benedict Rogers von der in London ansässigen Organisation "Hong Kong Watch" einen ähnlichen Bericht. Den nannte er "Ausverkauf unserer Seele" und warnte vor "drohenden Gefahren für Religions- und Meinungsfreiheit".

Forderungen an Papst Franziskus

Rogers wie auch Hui appellieren an die USA, andere westliche Staaten und Papst Franziskus, ihre Stimme gegen die Unterdrückung von Menschenrechten und Religionsfreiheit in Hongkong und China zu erheben. Hui fordert den Vatikan zur Überprüfung seiner China-Politik auf und warnt davor, das Geheimabkommen mit Peking zur Ernennung von Bischöfen auf Hongkong auszuweiten. 

Kardinal Joseph Zen Ze-kiun im Februar 2020 / © Gregory A. Shemitz (KNA)
Kardinal Joseph Zen Ze-kiun im Februar 2020 / © Gregory A. Shemitz ( KNA )

Rogers betont, der Vatikan solle "auf seine erfahrensten Chinaexperten wie den Hongkonger Kardinal Joseph Zen hören". Unterdessen hat Hongkongs Regierungschef John Lee für dieses Jahr eine Verschärfung des Verfassungsartikels 23 gegen Verrat, Sezession und Volksverhetzung sowie den Erlass eines eigenen Sicherheitsgesetzes angekündigt. 

Hui warnt: "Staatliche Pro-Peking-Medien in Hongkong wie Ta Kung Pao und Wen Wei Po propagieren bereits seit einiger Zeit die Idee neuer Vorschriften zur Kontrolle der Religion, einschließlich der Einrichtung eines 'Büros für religiöse Angelegenheiten'. Wenn die KPCh etwas plant, veröffentlicht sie dies oft in ihren Medien, daher sollten diese Warnungen ernst genommen werden."

Quelle:
KNA