​Südafrika wählt 25 Jahre nach Apartheid neues Parlament

Hoffnung mit Hindernissen

Die ersten freien Wahlen vor 25 Jahren markierten das Ende der Apartheid in Südafrika. Mit Präsident Nelson Mandela wurde eine neue Zeit eingeläutet. Ein Vierteljahrhundert später scheint Ernüchterung eingekehrt.

Autor/in:
Markus Schönherr
Machtwechsel in Südafrika? Präsident Cyril Ramaphosa / © Uncredited/AP (dpa)
Machtwechsel in Südafrika? Präsident Cyril Ramaphosa / © Uncredited/AP ( dpa )

"Geh nach Hause und zieh dich um. Na los, geh!" Tadelnd blickt Präsident Cyril Ramaphosa die Frau in Pyjama und Morgenmantel an. 11.30 Uhr. Ob sie den Staatschef trotz öffentlicher Rüge vor den Nachbarn wiederwählt, ist ungewiss. Seinen Punkt hat Ramaphosa bei dem Besuch im Township jedenfalls klar gemacht: So wie bisher kann es nicht weitergehen.

Dass Wahlkampf in Südafrika oft etwas anders abläuft, musste auch Ex-Präsident Jacob Zuma feststellen: Ihm wurde bei einem Wahlkampfbesuch kurzerhand die Tür vor der Nase zugedrückt - von einer Zweijährigen. Das spiegelt die Stimmung vieler Südafrikaner kurz vor den historischen Wahlen am 8. Mai wider. Vor 25 Jahren war in der Kaprepublik mit der Wahl Nelson Mandelas die Demokratie eingezogen. Seitdem regiert der Afrikanische Nationalkongress (ANC).

Gemischte Regierungsbilanz

Die Regierungsbilanz der ehemaligen Befreiungsbewegung fällt gemischt aus. Millionen Haushalte konnte sie in den letzten zwei Jahrzehnten an Strom und Wasser anschließen. Für Mütter, Waisen und Rentner gibt es Sozialhilfe. Dazu kommt aber auch eine Arbeitslosigkeit von 27 Prozent und soziale Ungleichheit, die sich teils immer noch an der Hautfarbe orientiert. Die Regierungspartei hat in den letzten Jahren wenig unternommen, den Alltag der Südafrikaner zu erleichtern.

"Wann immer wir das Radio anmachen oder die Zeitung aufschlagen, gibt es einen weiteren Korruptionsskandal", klagte vor kurzem der südafrikanische Politveteran Mangosuthu Buthelezi. Tatsächlich hat der 2018 zurückgerufene Zuma der Nation mit der Aufarbeitung seiner Vetternwirtschaft ein fragwürdiges Erbe hinterlassen. Gemeinsam mit einigen Ministern und seinen Geschäftspartnern soll er die Steuerzahler um Millionen betrogen haben.

"Die Jahre von Korruption und Skandalen haben sich negativ auf das Ansehen des ANC ausgewirkt und seinen Ruf als Befreiungsbewegung geschwächt", berichtet Südafrikas katholische Bischofskonferenz.

"Es herrscht eine gewisse Hoffnungslosigkeit"

Knapp 27 Millionen Südafrikaner sind aufgerufen, ihre Stimmen für ein neues Parlament und Regionalregierungen abzugeben - so viele wie noch nie zuvor. Allerdings auch beachtlich: Etwa 9 Millionen Wahlberechtigte, ein Viertel der potenziellen Wähler, verzichteten auf eine Registrierung und sind somit vom Votum ausgeschlossen.

Einige Beobachter erkennen darin politische Ernüchterung. "Es herrscht eine gewisse Hoffnungslosigkeit", zitiert die Zeitung "Citizen" den Politologen Daniel Silke.

Prognosen sehen keinen Machtwechsel

Darf die Opposition nach 25 Jahren also auf einen Machtwechsel hoffen? Prognosen liefern dazu ein klares Nein. Erneut werde der ANC etwa 60 Prozent der Stimmen holen. Auf die stärkste Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) werden voraussichtlich 18 Prozent und die Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer (EFF) 10 Prozent entfallen.

Keine Abmahnung für den ANC trotz Korruption, einer hausgemachten Energiekrise und einer schwachen Wirtschaft? Das mag daran liegen, dass der ANC bei älteren Südafrikanern immer noch einen historischen Bonus hat; etwa zwei Drittel der stimmlosen Wahlberechtigten sind jung. Die Uni Johannesburg liefert noch eine andere Antwort: Demnach sei Vertrauen in den Präsidentschaftskandidaten ein entscheidender Wahlfaktor. "Offensichtlich konnte das Vertrauen in Ramaphosa die Loyalität für jene Partei wiedererwecken, die Südafrika Freiheit und Demokratie brachte", meint die Sozialwissenschaftlerin Leila Patel.

ANC ist tief gespalten

Ramaphosa übernahm vor einem Jahr den wirtschaftspolitischen Scherbenhaufen seines Vorgängers und versprach den Südafrikanern einen "Neubeginn". Die katholischen Bischöfe des Landes sprechen vom "Ramaphosa-Effekt": Der ehemalige Gewerkschaftsführer und Unternehmer ist beliebt im Volk - was man von seiner Partei nicht behaupten kann.

Immer noch sitzen die Nutznießer der Bestechungsskandale in den höchsten Rängen, teils als Staatsminister. Das signalisiert den tiefen Riss, der sich heute durch Mandelas Partei zieht. Auch die Bischofskonferenz ist überzeugt: "Seit Cyril Ramaphosa im Amt ist, wurden wir Zeugen seiner Reformen. Doch wir mussten auch beobachten, wie unbeugsam seine Feinde sind." Auf lange Sicht sei die Zukunft der Mandela-Partei ungewiss.


Quelle:
KNA