Hochbetagte Eheleute pflegen alten Klosterfriedhof

Sie knipsen auch Gottesaugen ab

Walburga Stufler ist 90 Jahre alt, ihr Mann Vitus 89. Beide könnten also schon lange im Ruhestand sein. Aber von wegen. Sie kümmern sich im oberbayerischen Eichstätt um einen einstigen Klosterfriedhof. Was treibt sie an?

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Eheleute Vitus und Walburga Stufler, Rentner und ehrenamtliche Friedhofspfleger, bei der Gartenarbeit auf dem alten Kapuzinerfriedhof in Eichstätt / © Christopher Beschnitt (KNA)
Eheleute Vitus und Walburga Stufler, Rentner und ehrenamtliche Friedhofspfleger, bei der Gartenarbeit auf dem alten Kapuzinerfriedhof in Eichstätt / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Manchmal liegt das Paradies gleich neben dem Friedhof: Alte Obstbäume spenden Schatten, wilde Rosen blühen, eine Amsel tiriliert. So idyllisch präsentiert sich der Garten des ehemaligen Kapuzinerklosters im oberbayerischen Eichstätt. "Ein wahrer Garten Eden, kann man schon sagen", meint Walburga Stufler und lässt ihren Blick übers satte Grün von Gras und Gemüsesetzlingen wandern. Aber die Amsel, sagt sie dann, die könne einen schon fuchsig machen: Immer wieder rupfe sie im frisch geharkten Beet rum!

Eheleute Walburga und Vitus Stufler / © Christopher Beschnitt (KNA)
Eheleute Walburga und Vitus Stufler / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Walburga Stufler sitzt auf einer Bank, daneben ihr Mann Vitus. Sie ist 90 Jahre alt, er 89, seit über 65 Jahren sind sie verheiratet. Andere Leute genießen da längst ihren Ruhestand - wenn sie denn noch am Leben sind. Die Stuflers sind es, und wie: Sie arbeiten bis heute mehr oder minder täglich. Ehrenamtlich pflegen sie den alten Kapuzinerfriedhof neben dem einstigen Klostergarten, seit der Orden Eichstätt vor mehr als einem Jahrzehnt verlassen hat; im Garten wiederum züchten Studenten der benachbarten Katholischen Universität Schönes und Essbares.

Macht es den Stuflers etwas aus, beim Pflanzen, Jäten und Wässern ständig auf Gräber zu blicken, zumal in ihrem Alter? "Ach nein", wehrt sie ab. "Wir hegen ja auch die unserer Eltern. Das ist ganz normal." Er nickt.

Betteln mit geweihten Samen

Kapuziner mit braunen Mönchskutten / © Wolfgang Radtke (KNA)
Kapuziner mit braunen Mönchskutten / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Nach dem Grund für ihren Einsatz gefragt, holt die Seniorin aus. Schon von klein auf habe sie die Kapuziner gekannt. "Die sind früher zum Betteln raus aufs Dorf gekommen", erzählt die 90-Jährige aus Adelschlag im Eichstätter Umland. "Geld, Eier, Kartoffeln ham's geholt und dafür geweihte Samen von Blumen und Gemüse gebracht, Samen hier aus dem Garten." Auch in der Seelsorge hätten sie geholfen.

Außerdem habe eine inzwischen verstorbene Cousine von ihr als Haushälterin beim Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke geschafft, berichtet Walburga Stufler. Auch für die Kapuziner habe sie gearbeitet. "Und wir haben ihr immer wieder geholfen." So sind die Stuflers reingewachsen in ihr Ehrenamt.

Und reinwachsen, das tut auch die Fette Henne vom Rand der Gräber, reinwachsen in den Kiesweg. Walburga Stufler bückt sich und zupft ein paar Triebe ab. Aufgestanden von der Bank im "Garten Eden", wuselt sie nun geschäftig über den Gottesacker. Alle paar Meter fährt ihre Hacke auf ein Unkraut nieder. "Mit Gift wollen wir nix zu tun haben!" Die Schöpfung müsse man zäumen, aber verantwortungsvoll.

Chaos wird weggespritzt

"Da, schaun's, des ist das Werk der Amsel!", ruft die Seniorin dann. Ein Trittstein im Beet ist voll von Erde. Macht nichts: Ihr Mann, gerade den Wasserschlauch in der Hand, spritzt das Chaos weg. "Jeden zweiten Tag komm ich zum Gießen", erzählt er. "Meist schon früh um sechs."

Rentnerin Walburga Stufler an einer Wasserstelle auf dem alten Kapuzinerfriedhof in Eichstätt / © Christopher Beschnitt (KNA)
Rentnerin Walburga Stufler an einer Wasserstelle auf dem alten Kapuzinerfriedhof in Eichstätt / © Christopher Beschnitt ( KNA )

Während er es beständig brausen lässt, klingt und knirscht es bei ihr immer wieder neu im Kies. Stille Beobachter dieses Fleißes sind Grabsteine mit Namen wie P. Heinrich, Fr. Felizian und Br. Dagobert. "Pater, Frater, Bruder", erklärt Walburga Stufler. "Einige hab ich gekannt. Die haben alle so viel gearbeitet, waren so sparsam und immer freundlich." Echte Vorbilder! Kurzes Innehalten. Aber dann: Da welkt was an den Gottesaugen - das muss abgeknipst werden! Gottesaugen? "So sagt man zu den Eisbegonien."

Was ist, wenn sie eines Tages nicht mehr können sollten, die Stuflers? Wer knipst dann die Gottesaugen ab? Drei Kinder, sechs Enkel und drei Urenkel hat das Paar. Mag davon jemand ihre Aufgabe übernehmen? Ein Sohn helfe ihnen schon, sagt Walburga Stufler. Wenn auch eher den Eltern zuliebe als um des Gartens willen. "Na, der Bischof hat uns versichert, dass er jederzeit einen Betrieb mit der Pflege beauftragen kann."

Auszeichnung des Bischofs

Der Bischof hat den beiden auch eine Auszeichnung verliehen. Vergangenen Herbst würdigte er sie mit der Bistumsmedaille in Silber. "Und er lädt uns immer mal wieder zu Gottesdiensten in seine Hauskapelle ein", verrät Walburga Stufler. "Das ist unser größter Schatz, das gibt uns so viel Kraft." Wie zum Beweis erstrahlt ihr Gesicht noch eine Spur frohgesinnter als ohnehin schon.

Dann geht das Hacken weiter, das Brausen hörte ohnehin nicht auf. Bald aber werden's die Stuflers für heute geschafft haben und zum Abschluss wie immer ein Vaterunser zwischen den Gräbern sprechen. "Wir arbeiten für Gotteslohn", sind sich die Eheleute einig. "Wir sind dankbar, dass es unserer Familie gut geht."

Und was kommt nach dem Feierabend? Auf der Bank den "Garten Eden" genießen? "Daheim geht's weiter", erwidert Walburga Stufler, "da haben wir ja auch einen Garten." Das Paradies kann warten.

Bistum Eichstätt

Das katholische Bistum Eichstätt erstreckt sich auf einer Fläche von 6.025 Quadratkilometern. In vseinen 271 Pfarrgemeinden leben aktuell rund 342.000 Katholikinnen und Katholiken, das sind gut ein Drittel der Gesamtbevölkerung im Bistumsgebiet. 

Die historischen Wurzeln des Bistums reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück. 740 wurde Willibald († 787), ein angelsächsischer Mönch, von Bonifatius in Eichstätt zum Priester und 741 in Sülzenbrücken bei Erfurt zum Bischof geweiht. Bischofsweihe und endgültige Niederlassung in Eichstätt markieren die Anfänge des Bistums.

Eichstätter Dom / © Armin Weigel (dpa)
Eichstätter Dom / © Armin Weigel ( dpa )
Quelle:
KNA