Komet Neowise erreicht größte Erdnähe

Himmelsereignisse als "traurige Propheten"

Dass man Kometen mit bloßem Auge beobachten kann, ist selten. Derzeit erfreut Neowise die Sternengucker. Doch Jahrhunderte lang galten die Schweifsterne vor allem als Unglücksboten.

Autor/in:
Christoph Arens
Komet Neowise / © Ringo Chiu/ZUMA Wire (dpa)
Komet Neowise / © Ringo Chiu/ZUMA Wire ( dpa )

Astronomen und Sternenfreunde sind verzückt: Seit Tagen ist der Komet Neowise am Himmel mit bloßem Auge sichtbar, erst am Morgen und nun am späten Abend. In dieser Woche ist C/2020 F3 der Erde am nächsten, wie das von der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften getragene Haus der Astronomie in Heidelberg mitteilt. Dann ist er noch gut 100 Millionen Kilometer vom Blauen Planeten entfernt.

23 Jahre nach dem Kometen Hale-Bopp

Ganze 23 Jahre ist es nach Angaben der Astronomen her, dass mit Hale-Bopp zum letzten Mal ein Komet am Himmel mit bloßem Auge zu erkennen war. Ab Ende Juli wird Neowise, benannt nach der Raumsonde, die ihn am 27. März 2020 entdeckt hat, wohl für Erdlinge verblassen. Ein Wiedersehen wird es - zumindest für Zeitgenossen - nicht geben, vermuten die Heidelberger Wissenschaftler. "Denn seine Umlaufbahn wird sich durch den Vorbeiflug des Kometen an Jupiter im September wohl so verändern, dass seine Umlaufdauer anschließend etwa 6.800 Jahre beträgt."

Kometen sind wenige Kilometer große Brocken, die unter anderem aus Schutt, Wassereis und Staub bestehen und sich üblicherweise in den Außenbereichen des Sonnensystems aufhalten. Kommen sie der Sonne näher, werden sie regelrecht aufgetaut; dabei bildet sich der charakteristische Kometenschweif.

Kometen einst als Zeichen gedeutet

Nicht immer sind die rätselhaften Himmelskörper mit so viel Begeisterung aufgenommen worden. Sie bewegen seit Jahrtausenden Wissenschaftler, Theologen und Dichter. Oft galten sie als Zeichen Gottes, die Kriege, den Tod des Herrschers oder gar den Weltuntergang ankündigten. Der Komet war Drohung, Menetekel und Aufforderung zur Umkehr.

"Die brennenden Kometen sind traurige Propheten", schrieb etwa der Dichter Paul Gerhardt (1607-1676). Das galt aus Sicht seiner Zeitgenossen etwa für den "schrecklichen Kometen", der ab November 1618 als gelb-rötlich leuchtender Himmelskörper von besonderer Strahlkraft zu sehen war. Viele Beobachter deuteten ihn als göttliche Ankündigung für die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges.

Dichter wie Jakob van Hoddis haben das Endzeitgefühl eher sarkastisch thematisiert: "Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei / Und an den Küsten - liest man - steigt die Flut", heißt es in seinem Gedicht "Weltende". Es entstand 1911, als der Halleysche Komet Ängste weckte.

Schon früh vermuteten Menschen Giftstoffe in Kern und Schweif von Kometen, führten Seuchen auf die vermeintliche Störung der Himmelsordnung zurück. Dass die "Haarsterne", so das griechische Wort, wirklich übel riechen könnten, bestätigte die europäische Weltraummission Rosetta, die am 12. November 2014 den 500 Millionen Kilometer entfernten Kometen Tschurjumow-Gerassimenko erreichte. Dabei kam auch heraus: "Tschuri" stinkt - nach Pferdestall und faulen Eiern.

Wie war das mit dem Stern von Bethlehem?

Christen verbinden mit Kometen aber auch eine positive Geschichte. Der Stern von Bethlehem, der laut Matthäus-Evangelium die Weisen zur Krippe Jesu führt, wird häufig als Komet dargestellt. Schon Kirchenlehrer Origenes deutete das Evangelium bereits im 2. Jahrhundert nach Christus in diese Richtung.

Konkret vermuteten manche Astronomen im Weihnachtsstern den Kometen Halley, darunter auch der Entdecker dieses Sterns selbst, Edmond Halley (1656-1741). Doch diese Theorie gilt inzwischen als widerlegt: Denn der Halleysche Komet wird zwar etwa alle 76 Jahre sichtbar. Doch zum vermuteten Zeitpunkt der Geburt Jesu passt das nicht, denn vor 2.000 Jahren erschien Halley zwischen August und Oktober des Jahres 12 vor Christus.

Der Bonner Astronom Michael Geffert hat noch einen anderen Einwand: "Die Kometentheorie ist deswegen nicht so schön, weil man sich doch vorstellt, dass die Weisen längere Zeit für ihre Reise brauchten und sie auch vorbereiten mussten. Und so lange ist eben eine spektakuläre Kometenerscheinung nicht zu sehen."

Das spricht für eine andere Lösung, und der Erste, der sie vorgeschlagen hat, war der Astronom Johannes Kepler (1571-1630). Er vermutete eine spektakuläre Planetenkonstellation am Himmel als Ursprung für die biblische Erzählung: die beinahe vollzogene Begegnung der beiden Planeten Jupiter und Saturn.


Komet Neowise über Nürnberg / © Daniel Karmann (dpa)
Komet Neowise über Nürnberg / © Daniel Karmann ( dpa )

Komet Neowise über den USA / © Robin Loznak/ZUMA Wire (dpa)
Komet Neowise über den USA / © Robin Loznak/ZUMA Wire ( dpa )
Quelle:
KNA