Hilfe für Syrien bleibt ein schwieriges Unterfangen

Unüberwindbare Hürden

Syriens Opposition macht die Regierung für ein weiteres Massaker an Zivilisten verantwortlich. Mindestens 80 Menschen sollen getötet worden sein. Damaskus hat inzwischen mehr internationale Hilfe im Land erlaubt. Doch die Helfer stehen vor fast unüberwindbaren Hürden: Die allgegenwärtige Bedrohung und das Fehlen an Infrastruktur.

 (DR)

Im Dorf Al Kubair nahe der Stadt Hama seien 100 Menschen, darunter Frauen und Kinder, getötet worden, sagte der Sprecher des Syrischen Nationalrates, Mohammed Sermini, am Donnerstag. Die rebellennahe "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" berichtete, regierungstreue Milizen hätten die Opfer mit Gewehren und Messern förmlich hingerichtet.



Erst vor zwei Wochen sorgte Massaker in Hula für Entsetzen

Die Führung in Damaskus wies die Vorwürfe als haltlos zurück. Vor zwei Wochen hatte ein Massaker im Dorf Hula international für Entsetzen gesorgt. Dabei starben 108 Menschen. Auch dieses Blutbad soll auf das Konto regierungsnaher Milizen gehen.



Der Sprecher der syrischen UN-Mission, Kieran Dwyer, erklärte dem arabischen TV-Sender "Al Jazeera", sein Büro habe Kenntnis von den Berichten über ein neues Massaker. Eine unabhängige Überprüfung sei aber bislang nicht möglich gewesen. UN-Beobachter seien auf dem Weg in das Dorf, um den Vorwürfen nachzugehen.



Das Dorf Al Kubair liegt etwa 20 Kilometer von der Stadt Hama entfernt. In den letzten Tagen war die Gegend von der syrischen Armee vom Boden und aus der Luft heftig beschossen worden. Laut Opposition sind allein am Mittwoch in Syrien 140 Menschen getötet worden.



Situation für Helfer in Syrien bleibt schwierig

Syriens Regierung lässt unterdessen internationale Hilfe ins Land: Die vier besonders von den Kämpfen betroffenen Provinzen Deraa, Deir el-Zour, Homs und Idlib sollen in den kommenden Tagen humanitäre Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Doch die Situation für die Helfer in Syrien bleibt schwierig. Die blutigen Gefechte zwischen der syrischen Armee und den Aufständischen gehen unvermittelt weiter, und auch die Logistik bereitet den Hilfswerken Kopfzerbrechen.



Mehr als eine Million Syrier brauchen nach UN-Angaben dringend Unterstützung. Viele Menschen haben durch die andauernde Konfrontation zwischen Rebellen und Armee ihre Häuser und ihre Arbeit verloren. "Alleine in der Stadt Homs gibt es um die 20.000 Vertriebene", schätzt Jean-Marie Falzone, Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes, der vor einigen Tagen Homs besuchte.



Häuser, Schulen, Kirchen und Moscheen sind zerstört

"Der Konflikt in der Region um Homs dauert bereits seit sechs Monaten an. Die Menschen haben inzwischen nur noch wenig Geld." Gleichzeitig hätten sich die Lebensmittelpreise vervierfacht. Der Alltag der Menschen ist geprägt von großer Unsicherheit. Der fortdauernde Beschuss der Stadt mache ein normales Leben unmöglich, sagt Falzone. Die meisten Läden seien geschlossen - Häuser, Schulen, Kirchen und Moscheen zerstört.



Unter diesen Bürgerkriegsbedingungen erwartet die Helfer eine gefährliche Mission. "Mindestens zwei unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter in Syrien sind bereits getötet worden", erklärt Falzone.



Die Organisation ist auf Einheimische angewiesen, damit sie lebenswichtige Hilfsgüter für die Bedürftigen in den Krisengebieten verteilen kann. Zudem sollen bestimmte Orte ganz von Hilfslieferungen abgeschnitten sein. Riskant ist auch die Arbeit für medizinisches Personal, das verwundeten Rebellen hilft. Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" wirft der syrischen Regierung vor, Ärzte Pflegepersonal und Patienten zu bedrohen.



Nur wenige Organisationen dürfen bislang überhaupt offiziell in Syrien arbeiten - dazu gehört das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und seine Partnerorganisation in Syrien. Auf Druck der internationalen Gemeinschaft hat die Regierung in Damaskus nun eingewilligt, dass weitere sieben Hilfswerke ins Land oder ihre Arbeit ausweiten dürfen: Unter anderem die französische "Action Contre La Faim" und das US-amerikanische International Medical Corps.



Als große Hürde erweist sich die Logistik

Als große Hürde erweist sich auch die Logistik. "Wir bekommen Spenden, aber es ist schwierig, die Sachen ins Land zu schaffen", sagt Falzone. Das Deutsche Rote Kreuz plant, Lastwagen ins Land zu bringen, um lebenswichtige Hilfsgüter verteilen zu können. Bislang hat die Organisation nur Krankenwagen oder kleine Transportfahrzeuge zur Verfügung.



Die Kämpfe in Syrien gehen derweil weiter. In der Küstenprovinz Latakia griff die syrische Armee nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte erneut Stellungen der Rebellen mit Kampfhubschraubern an. Rami Abdul-Rahman, Leiter der Stelle in London, erklärte, das syrische Militär gehe mehr und mehr dazu über, Kampfhubschrauber einzusetzen, um Städte und Dörfer von der Luft aus zu beschießen.



Denn die Rebellen hätten bessere Möglichkeiten, gepanzerte Armeefahrzeuge anzugreifen. Kämpfe gab es auch in Teilen der Hauptstadt Damaskus. Am Dienstag wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle in Syrien 55 Menschen getötet - 26 Soldaten, 19 Zivilisten und zehn Rebellen.



Die staatliche Nachrichtenagentur SANA berichtete hingegen zu Latakia, bewaffnete Gruppen hätten Zivilisten und Militär attackiert. Die beiden unterschiedlichen Versionen sind nicht überprüfbar, weil die Regierung Journalisten und unabhängige Beobachter nicht ins Land lässt.