Heiligtum in Rom ehrt Märtyrer des 20. und 21. Jahrhunderts

Opfer von NS, Kommunismus und Terror

Märtyrer gab es nicht nur im frühen Christentum. Auch in der jüngeren Vergangenheit – bis in die Gegenwart – sind Menschen wegen ihres Glaubens gestorben. Ein immer noch entstehender Erinnerungsort in Rom zeigt ihre Geschichten.

Sonnenlicht bescheint eine Statue des Heiligen Maximilian Kolbe in der St.-Franziskus-Kirche in Ravenna / © Vivida Photo PC (shutterstock)
Sonnenlicht bescheint eine Statue des Heiligen Maximilian Kolbe in der St.-Franziskus-Kirche in Ravenna / © Vivida Photo PC ( shutterstock )

Gebetbücher, Kreuze, Rosenkränze – auf den ersten Blick scheint die kleine Gedenkstätte in Rom jene Gegenstände auszustellen, die ein frommer Mensch eben besitzt.

Auf den zweiten Blick entdecken Besucher der unterirdischen Räume auf der Tiber-Insel dann aber doch die berührenden und schockierenden Geschichten, die hinter den unscheinbaren Gegenständen stecken.

Martyrium im Kommunismus und Nationalsozialismus

Da ist zum Beispiel der Stein, mit dem der polnische Priester Jerzy Popieluszko 1984 von Offizieren des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes erschlagen worden sein soll. Eine Texttafel mit Popieluszkos Porträt erzählt die Hintergründe.

Vitrine mit Ausstellungsstück und Infotafel zu Maximilian Maria Kolbe in der Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola, der Gemeinschaft von Sant Egidio, am 31. März 2023 in Rom  / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Vitrine mit Ausstellungsstück und Infotafel zu Maximilian Maria Kolbe in der Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola, der Gemeinschaft von Sant Egidio, am 31. März 2023 in Rom / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Da sind die Briefe des österreichischen Bauern Franz Jägerstätter, die er kurz vor seinem Tod 1943 in einem Gefängnis in Berlin schrieb.

Hingerichtet wurde der Katholik, weil er aus Glaubensgründen den Dienst in Hitlers Wehrmacht verweigerte.

Opfer politischer und extremistischer Anschläge

Da ist die kleine, zerbrochene Engelsfigur, die 2019 bei einem der Opfer der Bombenanschläge auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka gefunden wurde. Damals – an einem Ostersonntag – starben rund 250 Menschen.

Zu sehen sind auch ein Messgewand des heiligen Bischofs und Befreiungstheologen Oscar Romero, der 1980 in San Salvador erschossen wurde, die Stola des sizilianischen Priesters Giuseppe Puglisi, der 1993 der Mafia zum Opfer fiel sowie eine Reliquie des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen, der im Zweiten Weltkrieg öffentlich die Nazi-Politik der "Vernichtung lebensunwerten Lebens" kritisierte, wenn er dafür auch nicht als Märtyrer von den Nazis hingerichtet wurde.

Getragen wird das "Heiligtum der neuen Märtyrer des 20. und 21. Jahrhunderts" von der Gemeinschaft Sant'Egidio. Wie viele Ausstellungsstücke in der Krypta unterhalb der Basilika San Bartolomeo genau zu sehen sind, kann die Presseverantwortliche Rita Simeoni nicht genau beziffern.

Gedenkstätte geht auf Initiative von Johannes Paul II. zurück

Seit 1999 werden in der Kirche die Reliquien von christlichen Märtyrern der heutigen Zeit zusammengetragen – also von Menschen, die wegen ihres Glaubens gestorben sind.

Ausstellungsbereich der Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola der Gemeinschaft von Sant Egidio am 31. März 2023 in Rom / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Ausstellungsbereich der Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola der Gemeinschaft von Sant Egidio am 31. März 2023 in Rom / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Die Gedenkstätte geht auf eine Initiative von Papst Johannes Paul II. (1978–2005) zurück. In Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 – einer kirchlichen Großveranstaltung in Rom – setzte er eine Kommission ein, die sich mit dem christlichen Martyrium im 20. Jahrhundert beschäftigen sollte.

"Die Generation, der ich angehöre, kennt den Horror von Krieg, Konzentrationslagern, Verfolgung", so der Papst damals. Doch auch hier habe es Menschen gegeben, deren Glaube und Taten von Jesus inspiriert gewesen seien. "Die Erinnerung an sie soll nicht verloren sein, sondern erhalten und dokumentiert werden."

Briefe, Dokumente und Andachtsgegenstände von Märtyrern

Die Kommission sammelte Briefe, Dokumente und Andachtsgegenstände von Märtyrern aus der ganzen Welt. Nach dem Heiligen Jahr übernahm Sant'Egidio die Aufgabe.

Nach und nach habe sich die Nachricht über den römischen Erinnerungsort verbreitet, erzählt Simeoni. In den vergangenen 20 Jahren hätten sich immer wieder Pfarreien, Familienangehörige und Wegbereiter von Menschen gemeldet, die wegen ihres Glaubens gestorben sind.

Vor einigen Jahren stellte zum Beispiel die Schwester von Jacques Hamel ein Stundenbuch des französischen Priesters zur Verfügung.

Hochbetagte Schwester schenkte Stundenbuch Hamels

2016 wurde er während eines Gottesdienstes von islamistischen Attentätern ermordet. Zur Übergabe organisierte Sant'Egidio einen Gottesdienst, zu dem die hochbetagte Frau anreiste.

Vitrine mit Ausstellungsstück und Infotafel zu Jacques Hamel in der Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola der Gemeinschaft von Sant Egidio, am 31. März 2023 in Rom / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Vitrine mit Ausstellungsstück und Infotafel zu Jacques Hamel in der Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo all'Isola der Gemeinschaft von Sant Egidio, am 31. März 2023 in Rom / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Über einen ähnlichen Weg erreichte die Gemeinschaft eine Bibel des pakistanischen Politikers Shahbaz Bhatti. Der erste christliche Minister für Minderheiten in Pakistan wurde 2011 wegen seines Engagements für interreligiöse Verständigung getötet.

Bhattis Bruder, der einige Zeit als Mediziner in Italien arbeitete, kam in Kontakt mit Sant'Egidio und übergab das Buch der Sammlung.

Laufend kommen neue Exponate hinzu

Heute ist die Bibel in der Basilika San Bartolomeo zu sehen, wo die Gemeinschaft anfangs die Gegenstände ausstellte. Weil aber immer mehr Stücke zusammenkamen, öffneten vor Kurzem zusätzlich die Räume unterhalb der Kirche.

Immer noch kann nicht die ganze Sammlung gezeigt werden, erklärt Simeoni. Einiges liegt noch im Lager, zudem kommen laufend neue Exponate hinzu. "Die Arbeit geht weiter", sagt sie.

Zudem nimmt der Vatikan seine Recherchetätigkeit wieder auf. Mit Blick auf das anstehende Heilige Jahr 2025 hat Papst Franziskus wieder eine "Kommission der Neuen Märtyrer" eingerichtet, wie am Mittwoch bekannt wurde.

Vize-Präsident des Expertengremiums, das zur Heiligsprechungsbehörde gehört, ist der Historiker Andrea Riccardi, Gründer von Sant'Egidio. Die Ausstellung auf der Tiber-Insel könnte also bald um ein paar interessante Exponate reicher werden.

Was ist ein Märtyrer?

Der Begriff Märtyrer heißt übersetzt Zeuge. Die Christen der ersten Generationen legten, nachdem sie den Glauben angenommen hatten, Zeugnis von Jesus Christus ab, zunächst durch Worte und in der Verkündigung, durch die Unterweisung und in der Predigt. In der Mitte des 2. Jahrhunderts, als Christen wegen ihrer Zeugenschaft im römischen Reich verfolgt wurden, wurde der Begriff Märtyrer genauer gefasst. Alle wegen ihres Glaubens hingerichteten Christen hießen nun Märtyrer.

Die Seelen der Märtyrer / © Illustration aus den Beatus-Apokalypsen des Meisters Pedro (8. Jhdt.)
Die Seelen der Märtyrer / © Illustration aus den Beatus-Apokalypsen des Meisters Pedro (8. Jhdt.)
Quelle:
KNA