Vatikan-Experte über die Aufgabe der Kardinäle

Hauptarbeitgeber: Papst

Am Samstag werden in Rom 13 Männer in den Kardinalsstand erhoben. Was unterscheidet Kardinäle von Bischöfen? Welche Aufgabe haben sie eigentlich? Und gibt es einen Grund für die besondere Kardinalsauswahl von Papst Franziskus?

Birette, rote viereckige Hüte für neu ernannte Kardinäle / © Romano Sicilian (KNA)
Birette, rote viereckige Hüte für neu ernannte Kardinäle / © Romano Sicilian ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wofür braucht die Kirche Kardinäle?

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Sie braucht sie natürlich existenziell für die Wahl eines neuen Papstes. Aber es gibt etliche weitere wichtige Aufgaben – genau zugeschnitten auf den jeweiligen Papst. Er ist ja als Berater des Papstes gedacht, als jemand, der ihn in seinem Petrusamt unterstützt.

DOMRADIO.DE: Was unterscheidet denn einen Kardinal von einem Bischof – abgesehen von der Farbe der Gewänder?

Nersinger: Das Amt des Bischofs ist auf die Kirche ausgerichtet, auf die Verwaltung der Gläubigen oder die Seelsorge der Gläubigen. Das Amt des Kardinals dagegen ist ausschließlich auf den Papst ausgerichtet. Das ist der Unterschied. unterscheidet ihn. Der Hauptarbeitgeber, wenn man das mal so salopp ausdrücken kann, ist nicht die Kirche sondern der Papst.

DOMRADIO.DE: Kardinal ist aber auch nicht gleich Kardinal, oder?

Nersinger: Wir haben die drei Stufen: Kardinaldiakon, Kardinalpriester und Kardinalbischof. Das hängt natürlich mit dem Klerus zusammen, der einmal den Klerus der Stadt Rom bildete. Die Diakone waren für die Unterstützung der Armen da, die Kardinalpriester waren im Grunde die Pfarrer der Stadt. Die Kardinalbischöfe waren die Bischöfe aus dem Umland, die dem Papst bei diesen Aufgaben halfen. Sie waren so etwas wie die Weihbischöfe des Papstes.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen die diese Ränge heute?

Nersinger: Sie spielen viel weniger eine Rolle. Aber es gibt noch immer Funktionen, die sehr wichtig sind. Denken wir daran: Wenn man einen Papst wählen sollte, der nicht Bischof ist, so muss er ja zum Bischof geweiht werden. Das wäre die Aufgabe des ranghöchsten der Kardinalbischöfe. Denken wir auch daran, dass zum Beispiel die Verkündigung einer Papstwahl durch den Kardinalprotodiakon, geschieht. Bei der Übernahme des Papstamtes, die symbolisch durch eine Messe geschieht, haben diese Kardinäle eine Funktion, indem sie ihm das Pallium umlegen und den Ring anstecken. Es gibt noch gewisse Funktionen, die durchaus sehr wichtig sind.

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns mal auf die Politik der letzten Jahre schauen. Wir sind ja inzwischen an dem Punkt, an dem mehr aktive Kardinäle von Papst Franziskus ernannt wurden als von seinen Vorgängern. Da wird ja häufig in den Kommentaren politisches Kalkül vermutet, also dass Mehrheiten gesammelt werden für die Wahl des Nachfolgers. Kann man das wirklich so sehen oder ist das zu simpel ausgedrückt?

Nersinger: Sie sagen zu Recht: Es ist zu simpel. Ich glaube, dass das viel weniger ausmacht, als man sich jetzt vorstellt. Ich lese und höre das auch: "Der Papst bestellt sein Haus. Er sorgt im Grunde für seine Nachfolge." Das glaube ich nicht. Wenn man einen Blick in die Geschichte wirft, dann sieht man, dass das eigentlich nie funktioniert hat. Selbst wenn alle Kardinäle nur noch von Franziskus ernannt wären: Nach dem Tod sind sie ja nicht mehr seiner Person verpflichtet. Wir haben immer wieder erlebt, dass Päpste Kardinäle ernannt haben von denen sie glaubten, sie würden wirklich die Testamentsvollstrecker sein. Aber das hat sich dann in der Praxis nicht so gezeigt.

DOMRADIO.DE: Die Auswahl der Personen ist dabei bei Franziskus relativ ungewöhnlich. Es war Tradition, die wichtigen Erzbischöfe der großen Städte zu ernennen – Berlin, Paris zum Beispiel, die beiden warten aber immer noch. Papst Franziskus sucht sich eher Priester vom Rande aus, aus Afrika, aus Skandinavien, morgen unter anderem aus Luxemburg. Oder es geht um Menschen, die sich für Flüchtlinge oder für Obdachlose einsetzen. Warum macht Papst Franziskus das?

Nersinger: Er erfüllt eigentlich seine Aufgabe, denn der Papst kreiert ja Kardinäle. Das heißt: Er schafft sie. Wenn man es ganz spitz formuliert: Es sind ja seine Kreaturen. Da steht ihm natürlich auch selber die vollständige Freiheit in der Auswahl zu. Natürlich gab es das früher, dass man gesagt hat: Gewisse Bischofssitze sollten immer mit Kardinälen besetzt sein, oder bestimmte Ämter in der Kurie. Das muss nicht sein. Der Papst hat da die freie Wahl und das muss man ihm auch zugestehen. Auch wenn man sagt, ja es wäre vielleicht ganz gut, das zu machen. Aber man muss ihm die freie Wahl seiner engsten Mitarbeiter, seines Senates, zugestehen.

DOMRADIO.DE: Man muss dazu sagen: die Kardinäle, die Papst Franziskus ernennt, müssen nicht unbedingt Bischöfe sein oder sind noch nicht mal unbedingt Bischöfe, oder?

Nersinger: Nein. Sie sollen nach einer Bestimmung, die schon Papst Johannes XXIII. festgelegt hat, dann, wenn sie ernannt worden sind, die Bischofsweihe empfangen. Wenn sie aber ein gewisses Alter haben, dann können sie auch den Antrag auf Dispens stellen. Also wenn sie zum Beispiel über 80 sind und dann auch nicht mehr bei der Wahl dabei sind, haben sie durchaus das Recht, um Dispens anzusuchen. Das ist in der Vergangenheit auch das eine oder andere Mal geschehen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

 

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )
Quelle:
DR