Somalia scheint aufzuatmen: Die überraschende Wahl des früheren Universitätsprofessors Hassan Scheich Mohamud zum Präsidenten Somalias ruft vor allem positive Reaktionen hervor. "Ein Wechsel war überfällig", kommentiert der Somalia-Experte von "Brot für die Welt", Helmut Hess. Emmanuel Kisangani vom Institut für Sicherheitsstudien sagt: "Viele Somalier sind von der Wahl begeistert."
Der bisherige Dekan einer privaten Universität in Somalias Hauptstadt Mogadischu wurde am Montagabend mit überwältigender Mehrheit von dem neuen somalischen Parlament gewählt. Eine allgemeine Wahl unter Beteiligung des Volkes war aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Im ersten Durchgang siegte der bisherige Übergangspräsident Scheich Scharif Achmed, verfehlte aber mit nur 64 gegen 60 Stimmen die erforderliche Zwei-Drittelmehrheit. Im zweiten Durchgang siegte Hassan Scheich Mohamud mit 190 gegen 79 Stimmen.
Kritik im Vorfeld
"Ich hätte nicht gedacht, dass die Wahl so geordnet und strategisch verlaufen würde", sagte Annette Weber von der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik. "Der Ablauf hat mich beeindruckt." Denn die dritt- und viertplazierten Kandidaten verzichteten auf die Teilnahme am zweiten Wahldurchgang, um zu einem möglichst eindeutigen Ergebnis zu kommen. "Ein so klares Ergebnis könnte tatsächlich zur Stabilisierung Somalias beitragen", meint Helmut Hess.
Im Vorfeld der Wahl waren Korruption und Stimmenkauf immer wieder kritisiert worden. Vor allem der amtierende Präsident versuchte offenbar, seine Wiederwahl durch Stimmenkauf zu sichern. Ganz anders als befürchtet, sei der Wahlvorgang dann überraschend transparent gewesen, lobte Emmanuel Kisangani vom Institut für Sicherheitsstudien, einer afrikanische Forschungseinrichtung, die auch in der kenianischen Hauptstadt Nairobi ein Büro hat. "Deshalb kann keiner der Verlierer den Wahlsieg anfechten."
Der geregelte Ablauf der Wahl ist für die Zukunft Somalias von großer Bedeutung. Denn die Machtansprüche der unterlegenen Kandidaten, die Milizen mobilisieren könnten, um ihren Einfluss zu sichern, gelten als eine der größten Herausforderungen für den neuen Präsidenten.
Die Wahl galt schon im Vorfeld als historisch. Seit dem Beginn eines brutalen Bürgerkriegs vor 21 Jahren hat Somalia keine effektive Regierung mehr. Die Abstimmung schließt den Aufbau staatlicher Institutionen ab, der von den UN unterstützt wurde. Dazu gehörte auch die Wahl eines Parlaments. Der Prozess fand mit mehrwöchiger Verzögerung statt. Das Mandat der bisher amtierenden Übergangsregierung lief schon am 20. August aus.
Relativ neu in der Politik
Der 56-jährige Hassan Scheich Mohamud studierte vor dem Krieg an der Universität von Mogadischu und in Indien. Trotz des Bürgerkriegs blieb er die meiste Zeit in Somalia. In den 90er Jahren arbeitete für mehrere humanitäre Organisationen, darunter auch das UN-Kinderhilfswerk UNICEF. 1999 gründete er in Mogadischu das "Institut für Management und Administration", das später zu einer privaten Universität wurde.
Hassan Scheich ist in der somalischen Politik relativ neu und gehört damit zu den wenigen, der bisher offenbar nicht in Korruptionsaffären verwickelt sind. Er gilt als moderat und signalisierte, er sei zu Gesprächen mit Mitgliedern der Al-Schabaab-Miliz bereit. Gleichzeitig machte er aber deutlich, dass er jeden Extremismus ablehnt. "Wenn er es schafft, die gemäßigteren Al-Schabaab-Mitglieder von dem harten Kern zu trennen, der eng mit Al-Kaida zusammen arbeitet, könnte das durchaus zu einer Stabilisierung beitragen", meint Annette Weber.
Doch die Herausforderungen für den neuen Präsidenten sind beträchtlich: In den 21 Jahren ohne Zentralregierung sind viele regionale Machtzentren entstanden, deren Führer sich nicht unbedingt der neuen Regierung unterwerfen wollen. Die Al-Shabaab kontrolliert weiterhin weite Bereiche des Landes und führt in der Hauptstadt einen Guerillakrieg mit Selbstmordanschlägen und gezielten Morden. Die staatlichen Institutionen müssen erst aufgebaut werden, und auch die Wirtschaft liegt nach Jahren des Krieges am Boden.
Dennoch scheint Somalias Zukunft so vielversprechend, wie schon lange nicht mehr. "Ich bin begrenzt optimistisch", sagt Emmanuel Kisangani. Weniger zurückhaltend sind die Somalier, die sich über soziale Netzwerke im Internet äußern oder Kommentare in den Medien hinterlassen. Sie scheinen endlich aufzuatmen und etwas Zuversicht wiederzufinden.
Hassan Scheich Mohamud zum neuen somalischen Präsidenten gewählt
Überrascht bis begeistert
Somalias Parlament hat Hassan Scheich Mohamud zum neuen Präsidenten bestimmt. Viele sehen in dem 56-Jährigen die Figur, die dem gebeutelten Land etwas Ruhe verschaffen kann.
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