Halbzeit des EU-Jahres gegen Armut

Leere Versprechen?

Die EU-Kommission hat 2010 zum "Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung" erklärt. Sie will damit einen Gegenakzent zur üblichen Wirtschaftspolitik setzen. Zur Halbzeit ist der Elan der Brüsseler Behörde allerdings schon wieder abgeflaut - zumindest, was die Kommunikation betrifft.

Autor/in:
Isabel Guzmán
 (DR)

Wer Anfang 2010 durchs Brüsseler Europaviertel ging, konnte den Eindruck gewinnen, als beschäftige die EU sich von früh bis spät mit sozialen Themen. Überall hingen großformatige Plakate, die auf die schwierige Situation vieler Bürger aufmerksam machen sollten. "Julias Konto" stand etwa unter einem Foto von einer aufgeklappten Geldbörse mit ein paar kläglichen Cents.

Man wisse nicht, was das EU-Armutsjahr bisher gekostet habe, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Für Armutsprojekte in den einzelnen Ländern seien insgesamt neun Millionen, für die Kampagne zur Sensibilisierung der Bürger sechs Millionen Euro eingeplant. Was bisher erreicht worden sei? Keine Angabe. Welche Forderungen die Kommission habe, etwa an die EU-Regierungen? Auch kein Kommentar.

"Bemerkenswerter erster Schritt"
"Dabei ist es gar nicht so, dass das Armutsjahr bislang keine Erfolge gebracht hat", sagt Heather Roy, Generalsekretärin des europäischen Diakonieverbands Eurodiaconia. Sie verweist auf die neue Zehnjahres-Strategie der EU für Wirtschaftswachstum ("Europa 2020"), die auch konkrete soziale Ziele enthält. 20 Millionen Menschen wollen die EU-Regierungen in den nächsten zehn Jahren aus der Armut holen.

"Dass die EU sich solche Ziele setzt, ist ein bemerkenswerter erster Schritt", sagt Roy. "Jetzt kommt es darauf an, dass die Regierungen sie auch ernsthaft umsetzen." Mit einer gewissen Skepsis sieht Roy, dass zur Messung von Armut gleich drei verschiedene Indikatoren verwendet werden sollen: "Es darf nicht passieren, dass die Länder sich einfach den Indikator aussuchen, der sie am besten aussehen lässt."

"Das Thema wird dadurch sichtbarer"
Ähnlich argumentiert Fintan Farrell, Direktor des "Europäischen Netzwerks gegen Armut". "Zum ersten Mal beschäftigen sich sogar die europäischen Regierungschefs mit konkreten Zielen im Armutskampf", unterstreicht er. "Das Thema wird dadurch sichtbarer." Problematisch sei allerdings, dass die Regierungen ihre hehren Vorhaben gerade durch Sparmaßnahmen konterkarierten, unterstreicht der Ire.

"Viele Maßnahmen, die angesichts der Wirtschaftskrise ergriffen werden, werden noch mehr Menschen in die Armut drängen", sagt Farrell. So seien in Lettland zahlreiche Schulen geschlossen worden. In Deutschland treffe das Sparpaket der Bundesregierung die Hartz-IV-Empfänger besonders hart.

Alles in allem fielen die Ergebnisse des EU-Armutsjahres in den einzelnen EU-Ländern höchst unterschiedlich aus, meint Farrell. Einige Staaten seien sehr aktiv, andere eher apathisch. Deutschland, wo zum Beispiel Alphabetisierungs-Projekte für Erwachsene und Patenschaften für arme Kinder gefördert werden, liegt seiner Ansicht nach im Mittelfeld: "Deutschland ist ein sehr großes Land. Die großen sozialen Organisationen sind in die Aktivitäten des Armutsjahres durchaus eingebunden. Aber kleinere lokale Initiativen bleiben häufig außen vor."