Günter Nooke über die Fußball-WM

"Den Schwung nutzen"

Mit Südafrika ist erstmals ein afrikanisches Land Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft. Der Afrika-Beauftragte der Bundeskanzlerin, Günter Nooke, über die Chancen und Hoffnungen, die mit dem sportlichen Großereignis für die Menschen am Kap einhergehen

 (DR)

KNA: Herr Nooke, was bedeutet es für die Menschen in Südafrika, Gastgeber der Fußball-WM zu sein?
Nooke: Öffentlichkeit vor allem. Die Welt nimmt Afrika dadurch als einen wichtigen Kontinent wahr und beschäftigt sich im Zuge dessen hoffentlich intensiver mit ihm. Wir müssen in Deutschland lernen, differenziert und sachlich über Afrikas Chancen und Risiken zu sprechen. Da müssen auch Dinge, die nicht gut laufen, beim Namen genannt werden.

KNA: Zum Beispiel?
Nooke: Die Effizienz unserer bisherigen Entwicklungszusammenarbeit. Die Hilfe zur Selbsthilfe war nicht immer erfolgreich, und es sind ungute Abhängigkeiten entstanden. Wir müssen uns deutlich stärker dafür einsetzen, dass die afrikanischen Staaten endlich als eigenständige Wirtschafts- und Industrienationen international eine größere Rolle spielen. Selbst in Staaten mit friedlicher Entwicklung ist es ja keineswegs so, dass sich die Armut großartig reduziert hat.

KNA: Südafrika fährt derzeit eine große Image-Kampagne. Wie realistisch ist das Bild, das da vermittelt wird?
Nooke: Es gibt an vielen Stellen wirtschaftlichen Aufschwung und positive Entwicklungen. Aber die Rede von fünf Prozent Wirtschaftswachstum sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch in Südafrika extreme Armut und zahlreiche Menschenrechtsverletzungen gibt.

KNA: Sie waren lange Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Südafrika?
Nooke: Das friedliche Ende der Apartheid ist vor allem Nelson Mandela zu verdanken, denn das war keineswegs selbstverständlich. Südafrika sollte stolz darauf sein. Inzwischen gibt es auch neue Formen von Rassismus: Jedes Jahr verschwinden einige hundert weiße Farmer, werden umgebracht, müssen ihre Farmen verlassen. Andere große Themen sind die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und der Polizeibehörden, die Sicherheit in den Townships. Insgesamt steht die demokratische Entwicklung selbst in Südafrika nicht auf so sicheren Füßen, wie wir das in Europa vielleicht meinen. Ich hoffe, dass die Fußball-Weltmeisterschaft nicht nur das Ausbrechen einiger Konflikte, die durchaus noch im Land schwelen, verhindert, sondern dass Südafrika und der ganze Süden jetzt den Schwung nutzen, um sich umso schneller weiterzuentwickeln.

KNA: Die WM hat Südafrika einen gigantischer Bau- und Investitionsboom beschert. Profitieren davon auch die ärmeren Schichten der Bevölkerung?
Nooke: Es wird nicht einfach sein, diese vielen neuen Stadien wirklich weiter sinnvoll zu nutzen. Organisationen wie das Internationale Olympische Komitee oder der Fußballweltverband FIFA müssen sich schon kritisch fragen lassen, ob diese riesigen Sportereignisse nicht eigentlich nur noch für ganz wenige, reiche Staaten bezahlbar sind. Große Sponsoren diktieren da im Grunde die Spielregeln. Und kleine, lokale Händler, wie jetzt in Südafrika, die sich viel von der WM erhoffen, fallen am Ende hinten runter und gehen leer aus. Am Ende darf nicht Frust, sondern muss ein neues Miteinander übrig bleiben.

Das Gespräch führte Karin Wollschläger.
(KNA)