In Guatemala und Ecuador stehen richtungsweisende Wahlen an

Trotzt die Demokratie Gewalt und Korruption?

In zwei lateinamerikanischen Ländern stehen richtungsweisende Wahlen an. Sowohl in Ecuador als auch in Guatemala geht es um weit mehr als nur einen politischen Kurswechsel.

Autor/in:
Tobias Käufer
Die guatemaltekische Nationalfahne am 25. April 2023 in Guatemala-Stadt  / © Tobias Käufer (KNA)
Die guatemaltekische Nationalfahne am 25. April 2023 in Guatemala-Stadt / © Tobias Käufer ( KNA )

Lange war unklar, ob es überhaupt zu diesem zweiten Wahlgang kommen würde. Die Staatsanwaltschaft in Guatemala wollte die Stichwahl verhindern, die Justiz ermittelte gegen die Partei des Außenseiters, der nun plötzlich Favorit ist.

"Pakt der Korrupten" an der Macht?

Nach turbulenten Wochen in dem mittelamerikanischen Land wird am Sonntag zwischen Sandra Torres (67) und Bernardo Arevalo (64) über die Nachfolge von Noch-Präsident Alejandro Giammattei (67) entschieden.

Guatemala

Guatemala ist eine mittelamerikanische Republik mit rund 17 Millionen Einwohnern. Wichtigste Nachbarländer sindMexiko, Honduras und El Salvador. Die Bevölkerung Guatemalas besteht nach offiziellen Angaben zu etwa 40 Prozent aus Maya und zu rund 60Prozent aus Mestizen (Ladinos). Tatsächlich dürften die Verhältnisse umgekehrt sein. In weiten Landesteilen, vor allem im westlichen Hochland, stellen die indigenen Maya-Völker die Mehrheit.

Die guatemaltekische Nationalfahne in Guatemala-Stadt / © Tobias Käufer (KNA)
Die guatemaltekische Nationalfahne in Guatemala-Stadt / © Tobias Käufer ( KNA )

Internationaler Druck aus Europa und den USA sowie von den Menschen auf den Straßen machte letztlich den Weg für Arevalo frei.

Das Establishment Guetemalas hatte lange versucht, ihm und seiner Anti-Korruptions-Partei Movimiento Semilla so viele juristische Hürden wie möglich in den Weg zu stellen.

"Das zeigt einmal mehr, dass das Land von einem 'Pakt der Korrupten' regiert wird, wie es in Guatemala heißt", kritisiert Ines Klissenbauer, Expertin des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.

Korruption, Gewalt und Straflosigkeit

Der noch amtierende Giammattei, der wegen einer Amtszeitbegrenzung nicht mehr antreten kann, kontrolliere bis heute mit reichen einflussreichen Gruppen Parlament, Justiz und staatliche Institutionen.

Die Folge sei ein Anwachsen von Korruption, Gewalt und Straflosigkeit.

Hinzu komme eine Kriminalisierung der indigenen Bevölkerung, um sie von ihren Territorien zu vertreiben und sich mit Ausbeutung der dortigen Bodenschätze zu bereichern, so Klissenbauer.

Viele Bürger hofften auf einen Befreiungsschlag durch Arevalo. Auch in Ecuador steht am Sonntag kein gewöhnlicher Wahlgang bevor.

Mord an Präsidentschaftskandidaten

Das südamerikanische Land geriet jüngst in die weltweiten Schlagzeilen, als der liberale Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio bei einem Attentat in Quito ermordet wurde.

Seinen Platz auf dem Wahlzettel nahm Kollege und Freund Christian Zurita (53) ein. Wie Villavicencio ist er Investigativ-Journalist, der unter anderem über Korruption in der Amtszeit des linkspopulistischen Ex-Präsidenten Rafael Correa berichtete.

UN-Kommission gegen die Straflosigkeit (CICIG)

Gegründet wurde die CICIG 2007 mit der Aufgabe, das staatliche Justizsystem bei der Strafverfolgung krimineller Netzwerke zu unterstützen. Seither hat die Kommission in enger Kooperation mit der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft vielfach Fälle von Käuflichkeit, Bestechung und Machtmissbrauch auf höchsten Ebenen aufgedeckt. So sitzt der ehemalige Präsident Otto Perez Molina wegen eines Korruptionsskandals in Untersuchungshaft. 

Protest gegen Straflosigkeit und Gewalt / © Oscar Rivera (dpa)
Protest gegen Straflosigkeit und Gewalt / © Oscar Rivera ( dpa )

"Fernando Villavicencio wurde nicht für das ermordet, was er gesagt hatte, sondern für das, was er in Ecuador ändern wollte", sagte Zurita kürzlich.

Durch das Attentat wurde die Stimmungslage gründlich durcheinandergewirbelt. Niemand weiß, ob und wie sich das Wahlverhalten nun ändern wird.

Welle der Gewalt gegen Politiker

In den vergangenen Wochen und Monaten erlebte Ecuador eine Welle der Gewalt gegen Politiker: Der Bürgermeister von Manta, Agustin Anibal Intriago, wurde im Juli ebenfalls Opfer eines Attentats.

In der Woche vor der Wahl starb zudem der regionale Parteiführer Pedro Briones. Er wurde in der Provinz Esmeraldas erschossen.

Bislang sind die genauen Hintergründe all dieser Bluttaten unklar. Als sicher gilt indes, dass die organisierte Kriminalität dahinter steckt.

Villavicencio hatte vor seinem Tod öffentlich erklärt, Ecuador werde von mexikanischen Drogenkartellen und der albanischen Mafia beherrscht: "Für den Drogenhandel ist es nicht möglich, sich in einer Gesellschaft zu etablieren und sie zu unterjochen – ohne das Einverständnis und die Duldung der politischen Macht."

Stichwahl nicht unwahrscheinlich

Aktuelle Umfragen sehen die Linkspolitikerin Luisa Gonzalez (45) aus dem Lager von Ex-Präsident Correa mal mit 20,9, mal mit 29,2 Prozent vorne.

Dahinter darf sich der Indigene Yaku Perez (54) die besten Chancen auf eine Stichwahl ausrechnen.

Als unwahrscheinlich gilt, dass ein Kandidat schon im ersten Durchgang die erforderliche Mehrheit holt, so dass eine Stichwahl am 15. Oktober notwendig würde.

Der glücklose konservative Amtsinhaber Guillermo Lasso (67) hatte nach einer Krise im Mai das Parlament aufgelöst und den Weg für einen politischen Neuanfang freigemacht.

Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)

Die OAS (mit Sitz in Washington) wurde 1948 in Bogotá gegründet. Alle 35 Staaten des (süd- und nord-)amerikanischen Kontinents sind Mitglied. Die wichtigsten Ziele sind der inneramerikanische Beistand, die Beilegung von Streitigkeiten und die wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit. In diesem Bereich wurde eine Vielzahl von Ausschüssen, Räten und Kommissionen geschaffen. Bis 2017 haben sich 20 (vorwiegend lateinamerikanische) Staaten dem 1979 gegründeten Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte unterworfen. (Bundeszentrale für politische Bildung)

Eingang zum Bürogebäude der Organisation Amerikanischer Staaten in Washington / © Daniel J. Macy (shutterstock)
Eingang zum Bürogebäude der Organisation Amerikanischer Staaten in Washington / © Daniel J. Macy ( shutterstock )
Quelle:
KNA