Grüne suchen auf Kölner Parteitag neue Orientierung - Kritik an Führung und Erscheinungsbild der Partei

Keine Mehrheitsbeschaffer

Vor dem am Freitag in Köln beginnenden Parteitag schließen führende Grünen-Politiker eine Koalition mit der Union auf Bundesebene auf absehbare Zeit aus. „Wenn ich den CDU-Parteitag betrachte, sehe ich keine Schnittmenge“, betonte Parteichefin Claudia Roth. Ihr Co-Vorsitzender Reinhard Bütikofer stellte klar: „Mit dieser CDU geht es nicht.“ Derweil äußerten verschiedene Grünen-Politiker Kritik an Führung und Erscheinungsbild ihrer Partei.

 (DR)

Außenpolitischer Kurswechsel
Roth kündigte zugleich einen außenpolitischen Kurswechsel an. Die Grünen müssten wieder pazifistischer werden. Zwar sei das Erbe von Ex-Außenminister Joschka Fischers nichts, „dessen man sich schämen müsse". „In Zeiten des nuklearen Wettrüstens müssen wir aber das Thema Abrüstung im Bündnis mit Kirchen und anderen wieder populärer machen", sagte Roth. Außerdem müsse eine Debatte darüber geführt werden, „was deutsche Soldaten im Ausland dürfen".

Bütikofer sagte, es gebe zu wenig Gemeinsames mit der Union. Es sei „erbärmlich", was CDU-Chefin Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag zum Beispiel zum Klimaschutz gesagt habe. Bei der Integrationspolitik höre man zwar hin und wieder vernünftige Töne, so Bütikofer, doch auch noch zu viel Hetze. Bei der Familienpolitik betreibe die CDU eine „knallharte Klientelpolitik für Besserverdienende".

Gegensätze in der Atompolitik
Fraktionschefin Künast verwies insbesondere auf Gegensätze in der Atompolitik. Eine längere Laufzeit von Atomkraftwerken würde eine schwarz-grüne Koalition im Bund ausschließen. Es sei zwar für die Grünen gut, Optionen zu haben. „Noch besser ist es, sich selbst treu zu bleiben", fügte sie hinzu. Die Union wäre nach ihren Worten gut beraten, den Atomausstieg zu akzeptieren, statt ihn in Frage zu stellen. Um Begehrlichkeiten der Atomindustrie abzuwehren, will Künast dem Parteitag empfehlen, den Klimaschutz mit modernen und effizienten Gas- und Kohlkraftwerken zu verbessern.

Die langjährige Grünen-Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer wirft der Führung ihrer Partei derweil einen Mangel an eigenen Ideen und fehlende Neugier auf die reale Gesellschaft vor. Den Grünen sei der Wechsel in die Perspektive der Opposition schwer gefallen, sagte Vollmer. „Es geht nicht mehr darum, früheres Regierungshandeln zu verteidigen, sondern sich neu auf die Hoffnungen und Ängste der Gesellschaft einzulassen", betonte sie.

Kritik an nicht erkennbaren Schwerpunkten
Auch die Grünen-Fraktionschefin im sächsischen Landtag, Antje Hermenau, forderte von der Parteispitze mehr Orientierung, um gut vorbereitet in die Wahlkämpfe zur Halbzeit der Legislaturperiode zu gehen. Überdies verlangt sie eine deutlich schlagkräftigere Oppositionsarbeit auf Bundesebene.

Die Grünen dürften sich nicht weiter verzetteln und an zu vielen Stellen gleichzeitig experimentieren, unterstrich Hermenau. Sie habe den Eindruck, dass sich viele in die frühere Oppositionsrolle vor der rot-grünen Regierungszeit zurücksehnten. „Bislang gibt es jedoch noch keine erkennbaren Schwerpunkte, auf die sich alle geeinigt haben", kritisierte die frühere Bundestagsabgeordnete.

Der Grünen-Politiker Werner Schulz forderte seine Partei zu einer konsequenten Aufarbeitung von Fehlern der Regierungszeit auf. Zugleich mahnte er eine Debatte über den demokratischen Zustand der Partei an. Schulz, von 1990 bis 2005 Bundestagsabgeordneter der Grünen, sagte: „Wer die Fehler verdrängt, läuft Gefahr, dass sie einen später und unerwartet wieder einholen." Nach sieben Jahren „Außenministerwahlverein" müsse der neue Vorstand dafür sorgen, „dass die Basis wieder mehr Gewicht bekommt". Die Grünen müssten „zur kollektiven Führung zurückfinden".