Großbritannien ebnet Weg für Forschung an Mensch-Tier-Embryonen - Bischof Fürst: bestürzt

Sündenfall auf der Insel

Großbritannien hat den Weg frei gemacht für die Forschung, die menschliche Embryonen und Eizellen von Tieren kombiniert. Zudem dürfen nun Eltern mit einem kranken Kind mit Hilfe künstlicher Befruchtung ein Geschwisterkind zeugen, das genetisch zum ersten Kind passt und so Gewebe oder Organe spenden kann. Der Vorsitzende der Ethikkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gebhardt Fürst äußerte sich bestürzt über den Volkswillen, der in der Entscheidung des Unterhauses zum Ausdruck käme.

 (DR)

Bischof Gebhardt Fürst hat im domradio-Interview die Entscheidung der britischen Parlamentarier für die Chimären-Forschung scharf kritisiert. Das britische Parlament habe mit seiner Entscheidung einen Wertekonsens innerhalb der EU verlassen. Fürst: „Ich bin bestürzt über diese Entscheidung." Damit sei ein Tabu gefallen, so etwas habe es bisher in der gesamten Menschheitsgeschichte nicht gegeben. Er könne sich vorstellen, dass dieses Tabu vor dem Hintergrund einer absoluten Dominanz ökonomischer Interessen und einer Forschungslobby gefallen sei, die vor nichts zurückschreckt.
Die Entscheidung der Parlamentarier erklärt Fürst mit einem möglichen Unwissen der Abgeordneten. Fürst: „Das ist eine aus meiner Sicht begründete Unterstellung, dass die Abgeordneten eigentlich nicht gewusst haben, worüber sie hier entscheiden." Biotechnologien seien schwierige Prozesse, diese zu verstehen, setze einen entsprechenden Bildungsgrad und naturwissenschaftliche Kenntnisse voraus, das sei vielleicht nicht jedem bewusst gewesen. Innerhalb Deutschlands rechnet Fürst jedoch nicht mit einer ähnlichen Entscheidung für die Forschungsarbeit. Hier würde eine sehr viel sensiblere Debatte über solche Themen geführt, als das in Großbritannien der Fall sei.

Mensch und Tier zu mischen sei ethisch "völlig unverantwortlich", betont Peter Liese, Europaabgeordneter der CDU, im domradio-Interview. Wissenschaftlich werde es außerdem "nichts bringen", versprochene Heilungschancen würden weiterhin ausbleiben. "Es gibt auf der ganzen Welt keine zählbaren Erfolge, egal wie liberal die Gesetze sind", so Liese.

"Dass derartige Embryonen nach einigen Tagen zerstört werden sollen, tröstet mich überhaupt nicht. Es sind Lebewesen", betont der Arzt. Wenn die Technik zur Herstellung dieser Lebewesen einmal geschaffen ist, stelle sich die Gefahr, dass "skrupellose Forscher" diese weiter heranwachsen ließen, gibt Liese zu bedenken. "Das wird zumindest in den USA schon öffentlich gefordert."

Katholische Kirche kritisiert britische Stammzell-Entscheidung
Die katholische Kirche in Deutschland hat die Entscheidung des britischen Unterhauses zur weiteren Liberalisierung der Stammzellforschung scharf kritisiert. Die vom Parlament zugelassene Erzeugung von Embryonen aus menschlichem und tierischem Zellmaterial und die erlaubte Herstellung sogenannter «Helfer-Geschwister» verstoße gegen die Menschenwürde, sagte der Augsburger Weihbischof Anton Losinger am Dienstag auf Anfrage. Er ist Mitglied des Deutschen Ethikrats.

Losinger betonte, es sei «völlig a-ethisch, einen Menschen als Material-Substrat für einen anderen zu züchten». Die Menschenwürde werde auch dort grundlegend verletzt, wo die genetische Identität des Menschen durch die Erzeugung von Chimären zerstört werde. Von beiden Forschungsvorhaben habe sich die Bischofskonferenz bereits vor acht Jahren «glasklar distanziert».

Die «Aktion Lebensrecht für Alle» (AlfA) forderte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) dazu auf, dafür zu sorgen, dass die «skandalöse Chimären-Forschung» keinesfalls mit EU-Forschungsmitteln unterstützt werde. Das Geld deutscher Steuerzahler dürfe nicht in eine Forschung fließen, die manipulierte Menschen nur dazu erzeuge, um sie anschließend zu verbrauchen. Die Erzeugung von Chimären sei nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Italien und Frankreich verboten.

Britische Medien befürworten Änderung
Die britischen Medien reagierten überwiegend positiv auf die weltweit liberalste Gesetzgebung in der Forschung mit sogenannten Hybriden. Die Tageszeitung «The Independent» nannte die Parlamentsentscheidung «bahnbrechend». Die Forschung könne «Millionen Leben retten». Der «Guardian» sprach von einem «Sieg der Vernunft». Auch die konservative «Times» begrüßte die Tatsache, dass die Mensch-Tier-Embryos zur Erforschung «verheerender Krankheiten» wie Alzheimer und Parkinson genutzt werden dürften.

Enttäuscht reagierte die katholische Kirche in England und Wales. Sie hatte sich schon im Vorfeld wiederholt scharf gegen die Gesetzesnovelle ausgesprochen. Einige Teile der Vorlage seien erst «relativ spät» hinzugefügt worden, kritisierte der Vize-Generalsekretär der Bischofskonferenz, Charles Wookey, auf Anfrage. So habe die Öffentlichkeit nur wenig Zeit gehabt, die «neuen Fragen» angemessen zu diskutieren.

Kontroverse Gesetzesnovelle
Das britische Unterhaus hatte am Montagabend einer kontroversen Gesetzesnovelle zugestimmt, die Wissenschaftlern die Forschung mit Mensch-Tier-Embryos erlaubt. Künftig sollen in Großbritannien Embryonen aus menschlichem und tierischem Erbgut zu Forschungszwecken geschaffen werden können. Eltern mit einem kranken Kind dürfen mit Hilfe künstlicher Befruchtung ein Geschwisterkind zeugen, das genetisch zum ersten Kind passt und so Gewebe oder Organe spenden kann.
Ein Verbotsversuch des konservativen Abgeordneten Edward Leigh scheiterte mit 336 zu 176 Stimmen. Leigh sprach von «Frankenstein-Wissenschaft».

Die Entscheidung des britischen Unterhauses legitimiert langfristig eine bereits existierende Praxis. Im April war bekanntgeworden, dass britische Wissenschaftler an der Universität Newcastle mit einer Sondergenehmigung der Embryologie-Behörde erstmals menschliches Erbgut aus einer Hautzelle in die ausgehöhlte Eizelle einer Kuh eingefügt hatten.

Die neue Gesetzgebung, die bereits 2009 in Kraft treten könnte, erlaubt auch die Schaffung sogenannter echter Hybride, für die tierische Eizellen mit menschlichem Sperma oder menschliche Eizellen mit tierischem Sperma verschmolzen werden. Durch die Misch-Embryos soll ein Mangel an menschlichen weiblichen Eizellen für die embryonale Stammzellenforschung ausgeglichen werden.

«Monströse» Auswüchse der Forschung
Die Produktion von Hybriden ist sehr umstritten. Dem Parlamentsvotum in London ging eine heftige Kontroverse voraus. Kritiker sprachen von «monströsen» Auswüchsen der Forschung und einem Herumpfuschen an der Natur. Der ehemalige Labour-Minister Sir Gerald Kaufman warnte während der Parlamentsdebatte vor einer Gesetzgebung, deren Konsequenzen nicht absehbar seien.

Auch drei hochrangige katholische Mitglieder aus dem Kabinett von Premierminister Gordon Brown - Verteidigungsminister Des Browne, der Minister für Wales Paul Murphy und Verkehrsministerin Ruth Kelly - stimmten gegen die Forschung mit Mensch-Tier-Embryos. Der Premier und Gesundheitsminister Alan Johnson verteidigten die Regierungsinitiative dagegen als medizinisch notwendig.