Greenpeace rechnet nicht mit AKW-Neubau

Darf Schweden das?

Auch in Berlin ist erneut ein Streit über den Atomausstieg entbrannt, nachdem Schwedens Regierung gestern angekündigt hat, in Zukunft neue Kernkraftwerke bauen zu wollen. Die Umweltschützer von Greenpeace stellt das allerdings in Frage - und verweist auf eine Verpflichtung, die das Land auf europäischer Ebene eingegangen sei.

Autor/in:
Peter Kosfeld
 (DR)

Demnach müsse man bis 2020 rund 50 Prozent der Energieversorgung durch Erneuerbare Energien bereitstellen, sagte die Greenpeace-Expertin für Klima- und Energiefragen, Martina Krüger, am Freitag auf ddp-Anfrage. Zudem gebe es DAZU bislang lediglich eine Koalitionsvereinbarung. Ein entsprechender Gesetzentwurf liege noch nicht vor. Ob ein solches Gesetz im Parlament überhaupt eine Mehrheit fände, sei zudem nicht ausgemacht.

Die schwedische Regierung hatte eine Abkehr vom geplanten Atomausstieg bekanntgegeben und dies mit der Energiesicherheit und dem Klimaschutz begründet. Bestehende Reaktoren sollen danach durch neue ersetzt werden. Krüger wertete dies als "Imageschaden" für das skandinavische Land. Denn hier würden "Luftschlösser" gebaut.

Atompolitik in Schweden ist ein Wahlkampfthema 2010
Die Greenpeace-Expertin betonte, es werde weiter in Erneuerbare Energien investiert. In Schweden werde traditionell viel Energie aus Wasserkraft gewonnen. Die Windkraft stehe gerade vor dem Durchbruch. Die Entscheidung der Regierung zur Atomkraft sei daher ungünstig in Hinsicht auf potenzielle Windkraft-Investoren. Krüger betonte, Schweden habe "unglaubliche Potenziale" an Erneuerbaren Energien. Im Vergleich zur Atomkraft sei Windkraft "viel billiger".

Krüger vermutet, dass die Atompolitik in Schweden ein Wahlkampfthema 2010 werden wird. Sie fügte hinzu, das Referendum für den Atomausstieg von 1980 sei in Schweden nicht bindend. Die Schweden glaubten zudem, sie hätten die sichersten Atomkraftwerke überhaupt - ungeachtet des schweren Zwischenfalls im AKW Forsmark 2006. Im AKW Forsmark war am 25. Juli 2006 die Stromversorgung zur Kühlung des Reaktors in Teilen ausgefallen. Der Reaktor wurde heruntergefahren. Experten werteten den Vorfall damals als fast-GAU.

Laut Krüger sind in Schweden derzeit zehn AKWs an drei Standorten am Netz. Der Atomstrom-Anteil an der Gesamtenergieversorgung liege bei rund 45 Prozent. Schweden sei abhängig von Atomstrom. Ebenso wenig wie Deutschland habe Schweden jedoch eine Antwort auf die Frage der Endlagerung von Atommüll. So gebe es nach wie vor kein Endlager. Bis 2010 solle ein Konzept vorgelegt werden, wie Atommüll "im Berg verbaut" werden könne. Derzeit gebe es mehrere Zwischenlager direkt an den AKWs sowie ein zentrales Zwischenlager.

Schwedens Abkehr vom Atomausstieg löst Koalitionsstreit aus
Nach dem Kurswechsel Schwedens in der Atompolitik ist in der großen Koalition erneut ein Streit über den Atomausstieg entbrannt. "Das ist ein klares Signal, dass Kernenergie als Bestandteil eines breit gefächerten Energiemixes noch immer nötig ist", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla der "Süddeutschen Zeitung". Seine Partei wolle allerdings keine neuen Kraftwerke bauen, sondern nur die Laufzeiten bestehender Anlagen verlängern.

Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), warnte daraufhin die Union davor, den Atomausstieg nun auch in Deutschland rückgängig zu machen und auf eine Verlängerung der Laufzeiten zu setzen. "Wenn CDU/CSU das machen, wird es zu massiven Auseinandersetzungen in der Gesellschaft kommen, und alte Konflikte um Risiken und Alternativen werden neu aufbrechen", sagte Müller der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Zugleich warf er der schwedischen Regierung eine "völlig kurzsichtige Politik" vor. "Das ist das Eingeständnis der Gestaltungsunfähigkeit", sagte Müller. Egal wie man zur Kernenergie stehe, sei es unbestritten, "dass die Zukunft bei erneuerbaren Energien und Effizienztechnologien liegt". Die schwedische Regierung wolle alte Strukturen zementieren. Das sei aber vollkommen unsinnig. "Denn die Neubauten von Atomreaktoren vor allem in Finnland waren ein Fiasko - zu teuer, zu kompliziert und mit viel zu vielen Risiken", betonte Müller.