Pflegeratspräsident Franz Wagner hört auf

Glückliche Pfleger und glückliche Patienten

Franz Wagner hört auf. Nach vier aufregenden Jahren an der Spitze des Deutschen Pflegerats kandidiert der Niederbayer nicht wieder für das Amt. Nun blickt er zurück auf diese Zeit, in der Pflegereform und Pandemie große Schlaglichter waren.

Autor/in:
Christoph Arens
Symbolbild Pflege / © Tom Weller (dpa)
Symbolbild Pflege / © Tom Weller ( dpa )

"Happy nurses make happy patients" - "glückliche Pfleger - glückliche Patienten". Franz Wagner zitiert gern diesen Grundsatz der US-Krankenpflege. Vier Jahre lang stand der 64-Jährige an der Spitze des Deutschen Pflegerates. Er hat dafür gekämpft, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und der Pflege eine stärkere Stimme gegenüber Politik, Gesellschaft und im Gesundheitswesen zu geben.

Eine Sisyphusarbeit, bei der der gelernte Krankenpfleger einige Erfolge vorweisen kann, aber auch Rückschläge einstecken musste.

Nur eine Kandidatin für die Nachfolge

Am 16. Juni kandidiert Wagner nicht erneut für das Amt in der Dachorganisation des Pflege- und Hebammenwesens. Dann könnte erstmals eine Frau an die Spitze der 1998 gegründeten Interessenvertretung von 1,2 Millionen professionell Pflegenden gewählt werden. Einzige Kandidatin ist nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) die bisherige Vizepräsidentin Christine Vogler.

Auf der Habenseite kann Wagner verbuchen, dass die Pflege - nicht erst seit Corona - zu einem zentralen Thema der Politik geworden ist.

Dass in Heimen und Kliniken Personalnot herrscht; dass die alternde Gesellschaft neue Konzepte für menschenwürdige Pflege braucht, ist weithin unbestritten. In mehreren Pflegereformen hat die Bundesregierung nicht nur die Leistungen der Pflegeversicherung ausgeweitet, sondern auch die Ausbildung reformiert, den Mindestlohn erhöht, Personalbemessungsinstrumente auf den Weg gebracht und zusätzliche Stellen finanziert. Auf den letzten Metern will die große Koalition nun auch noch durchsetzen, dass Arbeitgeber bundesweit Tariflöhne zahlen müssen.

Doch der gelernte Gesundheits- und Krankenpfleger und Lehrer für Pflegeberufe bleibt skeptisch. "Die Pflegereform 2021 ist Stückwerk einer Politik, die sich nicht auf das Gesamte konzentriert, sondern versucht, einzelne Baustellen in Minischritten zu schließen", kommentierte Wagner den Kabinettsbeschluss.

Viel lauter werden

Wütend macht ihn, dass die Gesellschaft seine Profession dauernd unterschätze. Dabei könne Pflege viel mehr: zur Selbstständigkeit und Lebensqualität der Menschen beitragen, die Ärzte bei Diagnostik und Therapie unterstützen, Prävention stärken. Der im niederbayerischen Kelheim geborene Pflegeratspräsident räumt ein, dass auch die Pflegenden Verantwortung für die mangelnde Durchschlagskraft tragen. "Wir müssen viel politischer und lauter werden."

Ein Herzensanliegen ist deshalb der Aufbau von Landespflegekammern und der Bundespflegekammer, die analog zu den Ärzte- oder Rechtsanwaltskammern die Belange der Berufsgruppe regeln können. Doch da gab es Pleiten, Pech und Pannen: Die Pflegekräfte in Niedersachsen und Schleswig-Holstein stimmten für die Auflösung ihrer bereits bestehenden Zusammenschlüsse. Ein Scherbenhaufen. Nur in Rheinland-Pfalz arbeitet die Landespflegekammer weiter. In NRW ist eine Kammer im Aufbau. Und in der Hauptstadt wird die Bundespflegekammer zunehmend in Gesetzgebungsprozesse einbezogen.

Wagner hat Pflege von der Pike auf gelernt. Seine Mutter sei 30 Jahre lang schwer pflegebedürftig gewesen, verweist der Älteste von drei Geschwistern auf seine Familiengeschichte. "Mich kann nichts mehr überraschen", beschreibt er seine Erfahrung als Krankenpfleger in Psychiatrie, Geriatrie und Intensivmedizin. Verwirrte und sterbende Patienten, schwierige Lebensschicksale: In diesem Beruf werde man mit allen Ausprägungen menschlichen Verhaltens konfrontiert. "Man lernt Gelassenheit. Man lernt, Distanz zu halten - aber auch, Mitgefühl zu zeigen."

Im europäischen Vergleich eher hinten an

Die internationale Perspektive ist zum Markenzeichen geworden: Von der Bosch-Stiftung bekam Wagner ein Stipendium für Europas älteste pflegewissenschaftliche Fakultät an der Uni Edinburgh. Von 2005 bis 2009 war er Vizepräsident des Weltverbands der Pflegeberufe (ICN). "Deutschland gehört in der Pflege im europäischen Vergleich eher zum Armenhaus", sagt er.

Der Niederbayer, ein kräftiger Typ - Markenzeichen "körperliche Präsenz", wie er selbstironisch sagt - greift als Ausgleich gern zum Buch. Außerdem ist er leidenschaftlicher Koch. Dazu passt, dass er immer wieder nach Italien reist. "Sizilien ist meine große Liebe", gesteht er. "Innerlich bin ich Italiener."


Franz Wagner / © Anette Koroll (epd)
Franz Wagner / © Anette Koroll ( epd )
Quelle:
KNA