Gewerkschaft ruft bespitzelte Mitarbeiter zu Klagen auf - Politiker kritisieren Discounter

ver.di schlägt gegen Lidl Alarm

Die Gewerkschaft ver.di geht nach den am Mittwoch bekanntgewordenen Bespitzelungen von Lidl-Mitarbeitern massiv gegen den Lebensmitteldiscounter vor. Am Donnerstag rief ver.di die Beschäftigten zu Schadensersatzerklagen auf. Dadurch solle der Druck auf den Konzern erhöht werden, um so die Zulassung von Betriebsräten zu erreichen. Unterdessen kritisierten Politiker verschiedener Parteien die Überwachungsmaßnahmen bei einer der größten deutschen Supermarktketten.

 (DR)

"Ich kann den betroffenen Lidl-Mitarbeitern raten, sich untereinander zu verabreden und gemeinsam zu ver.di zu kommen. Möglicherweise könnte man dann Musterklagen gegen Lidl anstrengen", sagte die stellvertretende ver.di-Bundesvorsitzende Margret Mönig-Raane dem Online-Magazin "Stern.de". Außerdem arbeite ver.di weiterhin, wie bereits seit vier Jahren, an der Gründung von Betriebsräten, sagte der ver.di-Sekretär im Fachbereich Handel, Achim Neumann, auf Anfrage. Betriebsräte könnten dann durch Betriebsvereinbarungen verhindern, dass entsprechende Überwachungen möglich sind.

Es ist nicht das erste Mal, dass ver.di gegen den Discounter vorgeht. Erst Ende 2004 hatte die Gewerkschaft ein "Schwarzbuch Lidl" veröffentlicht und darin "arbeitnehmerfeindliche" Züge des Lidl-Systems angeprangert. Demnach verhinderte die zur Schwarz-Gruppe gehörende Handelskette unter anderem "mit aller Gewalt" die Gründung von Betriebsräten. Bereits damals habe ver.di darauf hingewiesen, dass "solche Machenschaften durchaus üblich sind, auch bei anderen Discountern", sagte Neumann. Nur die Dimension sei jetzt überraschend gewesen.

Das Lidl-Geschäftsleitungsmitglied Jürgen Kisseberth bestritt unterdessen in N24, dass es sich um ein System der Überwachung handelte. "Heute stellt es sich so dar, dass wir sehen, dass offensichtlich übereifrige Detektive über ihren Auftrag hinaus uns mit Informationen versorgt haben, die wir so nicht wollten", sagte er. "Wenn dann solche Protokolle geschrieben wurden, dann lag dazu keine Erwartung und kein Auftrag von uns vor, sondern dann war das eine Initiative vonseiten des Detektivs und hat bei uns keine weitere Berücksichtigung in der weiteren Vorgehensweise gefunden", machte er deutlich. Am Mittwoch hatte Kisseberth noch erklärt: "Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass es dazu Aufträge gegeben hat".

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, forderte indes einen verbesserten Arbeitnehmerdatenschutz. "Die Überwachung von Mitarbeitern ist alles andere als ein Einzelfall", sagte der Datenschützer dem Sender N24. In vielen anderen Bereichen würden Arbeitnehmer heute bereits über Zugangskontrollsysteme oder Ortungssysteme überwacht. Schaar mahnte daher die Bundesregierung an, endlich Abhilfe zu schaffen.

SPD-Politiker Edathy forderte ebenfalls, darüber nachzudenken, ob das Bundesdatenschutzgesetz verschärft werden muss. "Wahrscheinlich wäre es abschreckender für ein Unternehmen", wenn es "neben dem Schadensersatz auch Schmerzensgeld an die Mitarbeiter zahlen müsste", sagte Edathy dem Sender N24. Zudem riet der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag den Lidl-Mitarbeitern, sich an ver.di zu wenden. Auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Andreae, rief die Beschäftigten dazu auf, sich gegen die "illegalen Überwachungen zu wehren".

Laut der aktuellen Ausgabe des Magazins "Stern" protokollierten interne Berichte detailliert die Verhaltensweisen der Angestellten bei der Arbeit. Die Daten stammten aus der Überwachung mit Miniaturkameras. Offiziell sollten diese dem Schutz vor Ladendieben dienen.