Gesundheitsreform: Koalition streitet um Steuerfinanzierung

Kompromiss macht noch keine Reform

Die Auseinandersetzungen in der Koalition um den Gesundheits-Kompromiss gehen weiter. Vizekanzler Franz Müntefering schließt Steuererhöhungen für das Gesundheitssystem mittelfristig nicht aus. Es sei offen, wie ab 2008 der jedes Jahr um 1,5 Milliarden Euro wachsende Anteil an Steuermitteln für die Versicherung der Kinder aufgebracht werden könne.

 (DR)

Die Auseinandersetzungen in der Koalition um den Gesundheits-Kompromiss gehen weiter. Vizekanzler Franz Müntefering schließt Steuererhöhungen für das Gesundheitssystem mittelfristig nicht aus. Es sei offen, wie ab 2008 der jedes Jahr um 1,5 Milliarden Euro wachsende Anteil an Steuermitteln für die Versicherung der Kinder aufgebracht werden könne. Die Sozial­ethikerin Ursula Nothelle-Wildfeuer dazu im domradio: "Man hätte schon jetzt viel mehr über Steuern finanzieren müssen."

Abgeordnete fordern Änderungen
Bundespräsident Horst Köhler sagte, eine stärkere Steuerfinanzierung des Gesundheitssystems verteile die Lasten besser und entlaste die Arbeit von Lohnnebenkosten. Die Eigenverantwortung der Menschen für ihre Gesundheit müsse gestärkt werden. Experten sprächen von zweistelligen Milliardenbeträgen, die durch mehr Wettbewerb und Transparenz im Gesundheitswesen eingespart werden könnten.

Unterdessen forderten Abgeordnete aus Union und SPD erneut Änderungen an dem Koalitions-Kompromiss. Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sagte, er werde nur zustimmen, wenn die Reform Antworten gebe auf die Überalterung der Gesellschaft. Denkbar wären Rückstellungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, wie sie bei den privaten Kassen üblich seien. Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Johannes Vogel, forderte junge Parlamentarier zur Ablehnung der Reform auf. Wer die junge Generation glaubhaft vertreten wolle, könne ihr nicht zustimmen.

Evangelische Kirche überwiegend zufrieden
Der Grünen-Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer forderte die Gewerkschaften und Sozialverbände zu einem "massiven gesellschaftlichen Protest" gegen die Gesundheitsreform auf. Dies sei notwendig, "damit sich noch etwas bewegt", sagte er der "Netzeitung".

Der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Bert Rürup, bemängelte, dass sich die Koalition nicht zu einer größeren Umfinanzierung entschlossen habe. Im Hamburger Magazin "Stern" sagte er, versicherungsfremde Leistungen sollten von allen Steuerzahlern getragen werden. Insgesamt sei der Reformplan der großen Koalition.

Die Diakonie hat die Beschlüsse der großen Koalition zur Gesundheitsreform überwiegend positiv aufgenommen. Dass keine pauschalen Einschnitte in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen vorgenommen würden, sei zu begrüßen, teilte das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer ersten Stellungnahme am Mittwoch in Berlin mit. Kritik äußerte der Wohlfahrtsverband an den Plänen, die Zuzahlungsregeln für chronisch Kranke restriktiver zu fassen.
(epd, dr)

Hier im domradio-Interview die Sozial­ethikerin Ursula Nothelle-Wildfeuer.