Gesundheitsreform: Fonds tritt 2009 in Kraft - Koalition zufrieden, Opposition kritisiert

Einigung auf den Kompromiss

Nach monatelangem Tauziehen haben sich die Spitzen der großen Koalition auf die Gesundheitsreform geeinigt. Der Start des Gesundheitsfonds wurde nach rund siebenstündigen Verhandlungen unter Leitung von Angela Merkel auf 2009 verschoben. Die Kanzlerin sprach im Anschluss von einem "vertretbaren und guten Ergebnis".

 (DR)

Nach monatelangem Tauziehen haben sich die Spitzen der großen Koalition auf die Gesundheitsreform geeinigt. Der Start des Gesundheitsfonds wurde nach rund siebenstündigen Verhandlungen unter Leitung von Angela Merkel auf 2009 verschoben. Die Kanzlerin sprach im Anschluss von einem "vertretbaren und guten Ergebnis". Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer bezeichnete die Einigung als "faulen Kompromiss". - Hören Sie mehr Stimmen in einem domradio-Beitrag zum Gesundheitskompromiss.

Merkel: "Weit reichende Reform"
Für künftige Zusatzbeiträge bleibt es grundsätzlich bei einer Begrenzung auf ein Prozent des Einkommens der Versicherten. Bis zu einer Höhe von acht Euro monatlich soll es jedoch keine Einkommensprüfung geben.

„Insgesamt halte ich es für ein vertretbares und gutes Ergebnis", sagte Merkel. Alle Seiten hätten sich bewegt, auch wenn dies nicht leicht gefallen sei. Die Kanzlerin sprach von einer weit reichenden Reform, die darauf abziele, die Qualität der Versorgung zu verbessern sowie Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb und Transparenz im Gesundheitswesen zu stärken.

Nach dem Willen der Partei- und Fraktionschefs von CDU/CSU und SPD soll die Gesundheitsreform zwar weiterhin am 1. April 2007 in Kraft treten. Ihr Kernstück, der Gesundheitsfonds als Sammelstelle der Beitragsmittel, startet aber erst zum 1. Januar 2009 statt wie bislang geplant 2008. Merkel begründete die Verschiebung damit, dass der Fonds so zeitgleich mit dem neuen Finanzausgleich der Kassen und der neuen Gebührenordnung der Ärzte in Kraft treten könne.

SPD-Chef Kurt Beck betonte, die Gesundheitsreform sei nun „endgültig in politische Entscheidungen gegossen"und falle deutlich besser aus als vielfach öffentlich dargestellt. Es gelte weiterhin das Solidarprinzip.
Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber wies allerdings darauf hin, dass die politische Einigung unter Vorbehalt einer Prüfung der genauen Gesetzesformulierungen stehe. Der bayerische Ministerpräsident setzte zudem eine „Länderklausel" durch, wonach etwaige Mehrbelastungen für die Kassen „reicher" Länder im Zuge der Reform nicht auf einen Schlag, sondern in Schritten von je 100 Millionen Euro jährlich wirksam werden. Beck schränkte jedoch ein, dass diese Klausel vermutlich nicht zum Tragen komme, weil nach Erhebungen des Bundesversicherungsamtes kein Land mit mehr als 56 Millionen Euro belastet werde.

Ende Oktober soll die Reform das Bundeskabinett passieren
Die im Fonds gesammelten, künftig bundeseinheitlichen Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie ein geringer Steuerzuschuss sollen die Ausgaben im Gesundheitswesen laut Merkel zum Startzeitpunkt zu 100 Prozent abdecken. Wenn Kassen damit nicht auskommen, können sie den Zusatzbeitrag verlangen, müssen ihren Mitgliedern aber zugleich Optionen für einen Wechsel zu günstigeren Kassen anbieten. Beck sagte, mit dem Kompromiss falle die Ein-Prozent-Klausel „nicht bürokratisch aufwändiger als unabdingbar notwendig" aus. Nach zwei Jahren würden soziale Auswirkungen sowie die Folgen für die Kassen überprüft.

Einkommensunterschiede der Versicherten sollen zwischen den Kassen laut Merkel in Zukunft zu 100 Prozent statt wie bislang zu 92 Prozent ausgeglichen werden. Ein Ausgleich erfolgt laut Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) zudem anhand der Kosten für 50 besonders schwere Krankheiten der Versicherten.
Merkel sagte, der Gesetzgebungsprozess könne nun „in seine Endphase eintreten". Ende Oktober solle die Reform das Bundeskabinett passieren. Der Kompromiss sei dabei bereits „im Lichte der Wünsche der einzelnen Länder" gefallen, unterstrich die CDU-Chefin mit Blick auf die Kritik mehrerer Unions-Ministerpräsidenten im Vorfeld.

Bütikofer kritisiert Gesundheitsreform scharf
Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer hat die Gesundheitsreform der großen Koalition scharf kritisiert. Die nächtliche Einigung der Spitzenpolitiker von Union und SPD sei ein unsozialer und „fauler Kompromiss", sagte der Grünen-Chef am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin".

Er warf zugleich dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck vor, die Unwahrheit zu sagen, wenn er behaupte, dass dies die erste Gesundheitsreform sei, wo die Versicherten nicht zusätzlich belastet würden. Tatsache sei vielmehr, betonte Bütikofer, dass bereits jetzt angekündigt werde, dass die Beiträge der Krankenkassen um „deutlich mehr als einen halben Prozentpunkt steigen sollen".
(ddp)