Gesetzesänderung bei Spätabtreibung unter Experten bleibt umstritten

Nach bestem Gewissen

Eine Gesetzesänderung zur Eingrenzung von Spätabtreibungen ist bei einer Expertenanhörung des Bundestages umstritten geblieben. Gut die Hälfte der Experten sprach sich laut den vorab verbreiteten Stellungnahmen für konkretere rechtliche Vorgaben aus. Ende April will der Bundestag abschließend entscheiden.

 (DR)

Dazu gehören die Verpflichtung für Ärzte, auf psychosoziale Beratung hinzuweisen, und eine mindestens dreitägige Bedenkzeit. Gegen solche Gesetzesänderungen wandten sich mehrere Sachverständige. So sprach die Kieler Kriminologin Monika Frommel davon, Unionsabgeordnete zielten mit ihrer Linie nicht auf sachliche Verbesserungen, sondern auf eine Skandalisierung von Spätabtreibungen.

Als Spätabtreibung gelten Abbrüche ab der 23. Schwangerschaftswoche.
Im vorigen Jahr betrug deren Zahl laut offiziellen Angaben 231. In aller Regel stehen sie im Zusammenhang mit einer schweren Behinderung oder mangelnden Lebensfähigkeit des Kindes.

Die Bundesärztekammer und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe nannten eine Gesetzesänderung überfällig. Es müsse um eine Abwägung zwischen dem Lebensrecht des Kindes und dem Bedürfnis der Schwangeren nach einer ausgewogenen Entscheidung gehen. Auch die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen plädierte für eine Verankerung der Beratung im Schwangerschaftskonfliktgesetz, um deutliche Verbesserungen zu erreichen. Angesichts des Schockzustandes, den eine Frau nach der Diagnose einer möglichen schweren Behinderung des ungeborenen Kindes habe, sei auch die vorgeschlagene Bedenkzeit unabdingbar. Die meisten Fachleute hielten sogar sieben bis zehn Tage Bedenkzeit für angemessen. Ähnlich äußerten sich Volker von Löwenich von der Deutschen Akademie für
Kinder- und Jugendmedizin, der auf die Pflicht zur Beratung in Frankreich hinwies, und Rita Klügel von "Donum Vitae".

Derweil sahen Vertreter von "Pro Familia" und des Berufsverbands der Frauenärzte keine Notwendigkeit für Gesetzesänderungen. Der Präsident der Frauenärzte, Christian Albring, nannte eine mindestens dreitägige Bedenkzeit "absolut unzumutbar". Er sprach sich für das Vorhaben einer großen Gruppe von SPD-Abgeordneten aus, lediglich unterhalb der gesetzlichen Ebene mehr für Aufklärung, Beratung und Unterstützung von Frauen im konkreten Konfliktfall zu tun.

Bei der Anhörung unter dem Titel "Konfliktsituationen während der Schwangerschaft" lagen den Abgeordneten drei Gesetzentwürfe und zwei Anträge vor. Im Kern unterscheiden sich die Entwürfe in der Grundsatzfrage, ob es zu begrenzten gesetzlichen Änderungen kommen soll. Die beiden Anträge haben auf mehr Hilfen und mehr Beratung zum Ziel, allerdings ohne Gesetze zu ändern.

Die Vorlagen wurden im Dezember vom Plenum in Erster Lesung behandelt. Dabei äußerte sich eine knappe Mehrheit der Rednerinnen und Redner für eine Gesetzesänderung. Ende April soll der Bundestag abschließend entscheiden. Wie bei solchen Themen üblich, sind die Abgeordneten nicht auf eine Fraktionslinie festgelegt und entscheiden nach ihrem Gewissen.