Georg Brunnhuber über den Höffner-Kreis der CDU/CSU-Fraktion

"Die Wurzeln der Union"

Am Mittwoch besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel den Kardinal-Höffner-Kreis der Bundestags-Unionsfraktion. Der 1993 gegründete Kreis versteht sich als "Forum engagierter Christen". Viele der Mitglieder zeigten sich irritiert, als Merkel im Februar öffentlich den Papst kritisierte - auch Georg Brunnhuber. Doch: "Der Disput ist vorbei", sagt der CDU-Abgeordnete.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Zum Gespräch mit der Kanzlerin und zur Stellung des Kreises äußerte sich am Dienstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) der CDU-Abgeordnete Georg Brunnhuber. Im Herbst kandidiert der 61-Jährige, der seit 15 Jahren als Vorsitzender den Kreis leitet, nicht erneut für den Bundestag.

KNA: Herr Brunnhuber, wie sehr schwelt in der Fraktion noch die Missstimmung angesichts der Äußerung der Bundeskanzlerin zu Papst Benedikt XVI. und dem kirchlichen Umgang mit Traditionalisten?
Brunnhuber: Der Disput ist vorbei, auch zwischen mir persönlich und der Bundeskanzlerin. Wir haben ein so freundschaftliches Verhältnis, dass wir uns auch mal offen und deutlich die Meinung sagen können. Die Beilegung der Kontroverse der Kanzlerin mit dem Vatikan hat sicher länger gedauert. In der Zwischenzeit gab es verschiedene Gespräche der Kanzlerin mit dem Papst und mit Vatikanvertretern. Auch angesichts meiner Kontakte mit Rom kann ich sagen: Der Konflikt ist ausgeräumt, definitiv.

KNA: Wie oft haben Sie in den Februarwochen mit der Kanzlerin gesprochen?
Brunnhuber: In den Sitzungswochen des Bundestages nahezu täglich, ansonsten gab es ein, zwei Telefonate pro Woche. Wir haben ein sehr enges Verhältnis.

KNA: War die gesamte Kontroverse gut für die Atmosphäre in der Fraktion? Nicht nur bei kirchlich geprägten Abgeordneten schien wegen unterschiedlicher Themen - Beispiel Stammzellforschung - Druck im Kessel.
Brunnhuber: Immerhin haben wir mal wieder über das Grundsätzliche, über die Wurzeln der Union diskutiert.

KNA: Waren Positionen, die dem Höffner-Kreis wichtig sind, in Vergessenheit geraten?
Brunnhuber: So weit würde ich nicht gehen. Heute denken wir jedenfalls in der Spitze der Partei wie in den Landesverbänden wieder eher darüber nach, dass wir unsere Wurzeln in den christlichen Grundsätzen und Werten haben. Auch deshalb engagierten sich viele Abgeordnete für eine Gesetzesänderung beim Thema Spätabtreibung, die wir endlich erreicht haben.

KNA: Wofür steht der Höffner-Kreis?
Brunnhuber: Für die katholische Position, diese wichtige Tradition der Union. Dabei sind wir stets für die evangelischen Fraktionskolleginnen und -kollegen offen. Unsere Gesellschaft entfernt sich so sehr von den öffentlich gelebten christlichen Tugenden, dass in einer C-Partei all jene zusammenhalten müssen, die christliche Werte mittragen. Kleinkarierten Streit - hier katholisch, da evangelisch - können wir uns nicht leisten.

KNA: ...obwohl sich die Bischöfe der beiden Kirchen bei wichtigen Fragen nicht immer einmütig äußern.
Brunnhuber: In der Tat ist es in der Fraktion ein Problem, dass die evangelische Kirche bei vielen Fragen eine Wendung hin zum sehr Liberalen genommen hat. Das schwächt generell die Position der praktizierenden Christen in der Fraktion.

KNA: Welches Ansehen hat der Kreis in der Fraktion?
Brunnhuber: Gelegentlich staune ich selbst, wie hoch das Ansehen heute ist. Der Respekt ist enorm. Vielleicht auch, weil wir nicht immer die große Öffentlichkeit suchen, sondern vor allem intern arbeiten und die christlichen Werte stärker in die Fraktion einbringen.

KNA: Wie?
Brunnhuber: Wir sind kein abgeschotteter katholischer Zirkel, sondern offen für alle Mitglieder der Fraktion. Und wir fragen auch nicht, ob jemand Kirchgänger ist. Wir bieten eine breite Palette von Referenten - längst nicht nur Bischöfe oder Kardinäle. Immer wieder gehen wir auf Wallfahrt nach Rom. Das sind dann auch Informationsreisen mit herausragenden Gesprächspartnern und oft auch mit einer Audienz beim Heiligen Vater. Und es ist uns dabei gelungen, viele Abgeordnete aus Ostdeutschland einzubinden. Sie haben dort erstmals erfahren, dass Kirche eine wesentlich universale Gemeinschaft ist.

KNA: Wie offen sind die Gespräche mit Bischöfen und Kardinälen?
Brunnhuber: Der Kreis hat sich nach meiner Überzeugung sowohl im deutschen Episkopat als auch in Rom einen Namen gemacht, weil wir ungeschminkt Fragen ansprechen, denen wir tagtäglich in unseren Wahlkreisen begegnen. Umgekehrt formulieren dann auch Bischöfe ihre Erwartungen sehr offen.

KNA: Auch - Stichwort "C" - bei schwierigen ethischen Fragen.
Brunnhuber: Ja. Bischöfe bestärken uns immer, bei heiklen Themen auch den schwierigen Spagat zu wagen. Wenn eine eindeutige Position, die sich an der kirchlichen Lehre ausrichtet, keine Mehrheit hat, sollten wir alles dafür unternehmen, doch zumindest Schlimmeres zu verhindern. Genau das gehört zum "C" im Parteinamen. Beide Seiten, Abgeordnete und Bischöfe, wissen um die Unvollkommenheiten der Politik. Dabei ist uns doch stets klar: Katholizismus bedeutet absolute Romtreue, theologisch können nur die Bischöfe den Kurs vorgeben. Das hat uns vor vielen Kontroversen und politischen Streitigkeiten bewahrt. Denn der Höffner-Kreis lässt sich vor keinen weltlichen Karren spannen.

KNA: Seit 1994 sank der Anteil kirchlich gebundener Abgeordneten im Parlament. Andererseits schlossen sich kürzlich christlich orientierte Abgeordnete der FDP-Fraktion zusammen, bei SPD und Grünen gibt es vergleichbare Kreise auf Parteiebene seit Jahren.  
Brunnhuber: Die Beispiele zeigen, dass die christlichen Werte nach wie vor eine wesentliche Rolle spielen. Ja, sie werden wichtiger, je schwieriger die Rahmenbindungen werden. Immer mehr Verantwortungsträger merken: Mit Wirtschafts-, Finanz- oder Sozialpolitik allein kann man Gesellschaft nicht gestalten. Es braucht die Ausrichtung der Gesellschaft an einem Wertegerüst, in unserem Land am christlichen Wertekanon. Im Bundestag nimmt eine christliche Grundhaltung - entgegen allen Unkenrufen - eher zu als ab.

KNA: Der Namensgeber des Kreises, Kardinal Joseph Höffner, war eine großer Vertreter der katholischen Soziallehre. Heute hat man das Gefühl, diese Grundlage fehlt an allen Ecken und Enden.
Brunnhuber: Die Welt wäre am blanken Kapitalismus beinahe gescheitert, die soziale Marktwirtschaft schien von gestern. Und nun die Krise. Da ist Kardinal Höffner aktueller denn je. Er steht mit seinem Gedankengut vor einer Renaissance. Den Gehalt sozialer Marktwirtschaft, die Grundgedanken von Solidarität und Subsidiarität, die Verantwortung des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers - all das hat er auch für Nichtchristen verständlich beschrieben. In der nächsten Legislaturperiode wird der Kreis diese Positionen thematisieren. Aber es ist schade, dass die herausragenden Sozialethiker, wie es Höffner war, heute fehlen.