Geheimdienste raten bei Übernahme von Häftlingen aus Guantanamo zu Vorsicht

Ein heikles Problem

Vertreter deutscher Geheimdienste haben bei einer möglichen Übernahme von Häftlingen aus dem amerikanischen Lager von Guantanamo auf Kuba zu "größter Vorsicht" geraten. Es sei bisher ein "schwer zu durchschauendes Problem" berichtet die Nachrichtenagentur ddp und beruft sich auf Informationen des Geheimdienstes.

Autor/in:
Friedrich Kuhn
 (DR)

Eine der Hauptschwierigkeiten bestehe darin, dass die amerikanischen Dienste "so gut wie keine Einzelheiten über die Häftlinge an die deutschen Behörden weitergeben". Es falle "sehr schwer, sich ein Bild über die Gefangenen zu machen, die vielleicht von Deutschland übernommen werden könnten", erläuterte ein Geheimdienstler.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will vor einer Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen genaue Informationen über die Insassen. Die US-Behörden sollten vergangene und aktuelle Vorwürfe gegen die Aufnahmekandidaten zusammentragen. "Aber genau das bereitet den Amerikanern erhebliche Schwierigkeiten", meinte ein deutscher Geheimdienstmann.

Er wies darauf hin, dass sich nach Berichten aus Washington die Ermittlungsunterlagen über zahlreiche Gefangene in vielen unterschiedlichen US-Behörden und Ministerien finden. Am Ende der Amtszeit von George W. Bush sei bekanntgeworden, dass das Aktenmaterial über die Häftlinge "hier und dort verstreut ist". Die Lage sei "völlig unübersichtlich".

Im Bundesinnenministerium wurde Wert auf die Feststellung gelegt, dass nur die Justiz in den USA ein Urteil darüber fällen könne, wer schuldig, wer gefährlich und wer harmlos ist. Washington habe selbst Lösungen zu finden, wenn es darum gehe, unschuldig Festgehaltenen einen Start in ein neues Leben zu ermöglichen.

Rund 60 "nachweisbar" Unschuldige
Von den 245 Häftlingen in Guantanamo sollen rund 60 "nachweisbar" unschuldig sein. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), stellte im ddp-Gespräch die Frage, warum Männer, die ohne Schuld sind, nicht beispielsweise in den Vereinigten Staaten oder auch in ihrer Heimat aufgenommen werden können. Eigentlich dürfte es in diesen Fällen keine Probleme geben. Es heißt, dass den Freigelassenen in ihren Heimatländern Folter und die Todesstrafe drohen würden.

Deutsche Geheimdienstexperten machten auch auf eine "mögliche sehr gefährliche Entwicklung" bei einer Entlassung von Guantanamo-Häftlingen aufmerksam, die bereits auch in einem Fall eingetreten ist. 2007 wurden die Saudis Said al-Shihiri und Mohammed al Aufi aus Guantanamo freigelassen. Sie setzten sich in den Jemen ab und sollen dort nach CIA-Erkenntnissen Zellen des Al-Qaida-Terrornetzes führen.

Propaganda-Video
In einem Propaganda-Video sagte Said al-Shihiri: "Bei Allah, die Gefangenschaft hat unser Beharren auf den Prinzipien, für die wir in den heiligen Krieg gezogen sind und gefangen genommen wurden, nur verstärkt". Der Saudi soll am Montag hinter dem jüngsten Anschlag auf die US-Botschaft im Jemen gestanden haben.

Das amerikanische Verteidigungsministerium gab an, dass sich mittlerweile einige von ehemaligen Guantanamo-Insassen wieder Terrornetzwerken von Al-Qaida angeschlossen haben. Dass der "Schandfleck" Guantanamo vom neuen US-Präsidenten Barack Obama aufgelöst werden soll, findet weltweit einhellige Zustimmung. Obama geht nach Einschätzung der Geheimdienste dabei aber auch für sein eigenes "politisches Image" ein enormes Risiko ein. Würde sich nach der Freilassung von Gefangenen aus Guantanamo ein "Fall Said al-Shihiri" mehrfach wiederholen, käme der Präsident in "nicht einkalkulierbare Schwierigkeiten", hieß es in den Berliner Geheimdienstkreisen.