Gedenkstunde im Bundestag zu 65 Jahren Grundgesetz

"Dies ist ein gutes Deutschland"

Nicht nur Feierlaune am 65. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes: Festredner Kermani kritisiert im Bundestag die deutsche Asylpolitik scharf, und Parlamentspräsident Lammert weist das Bundesverfassungsgericht auf seine Grenzen hin.

Navid Kermani  (dpa)
Navid Kermani / ( dpa )

Der Schriftsteller und Islamwissenschaftler Navid Kermani hat in der Grundgesetz-Feierstunde des Bundestages scharfe Kritik an der deutschen Asylpolitik geäußert. "Deutschland muss nicht alle Mühseligen und Beladenen der Welt aufnehmen", doch habe das Land genügend Ressourcen, die Verantwortung für politisch Verfolgte nicht auf sogenannte Drittstaaten abzuwälzen, sagte der Deutsch-Iraner Kermani am Freitag bei der Feier zum 65. Jahrestag der Verkündung der Verfassung in Berlin. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nutzte die Feierstunde zu kritischen Anmerkungen über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Kritik an Änderung des Grundgesetz-Artikels 16

Festredner Kermani sagte, mit der Änderung des Grundgesetz-Artikels 16 im Jahr 1993 sei Asyl als Grundrecht praktisch abgeschafft worden. Er wünsche sich, dass das Grundgesetz bis zum 70. Jahrestag seiner Verkündung von diesem "hässlichen, herzlosen Fleck" gereinigt wird. Viele Menschen seien auf die Offenheit demokratischer Länder existenziell angewiesen: "Edward Snowden, dem wir für die Wahrung unserer Grundrechte viel verdanken, ist einer von ihnen. Andere ertrinken jeden Tag im Mittelmeer, jährlich mehrere tausend", sagte Kermani. Auch sollten sich Menschen legal um Einwanderung bewerben können, statt auf das Asylrecht zurückgreifen zu müssen, sagte der 46-Jährige, der als Sohn iranischer Eltern in Deutschland geboren wurde: "Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir kennen. Statt sich zu verschließen, darf es stolz darauf sein, dass es so anziehend geworden ist".

Lammert appelliert an Bundesverfassungsgericht: Grenzen des Grundgesetzes müssen eingehalten werden 

Bundestagspräsident Lammert lobte zwar die Arbeit des Verfassungsgerichts, das in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik entscheidend zur "Machtbalance der Verfassungsorgane" beigetragen habe. Zugleich mahnte er jedoch, dass auch das oberste deutsche Gericht die Grenzen des Grundgesetzes in seinen Entscheidungen einhalten müsse, wie es dies von anderen Institutionen verlange. Lammert verwies auf Sondervoten von Verfassungsrichtern "mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Verletzung der Grenzen zwischen gesetzgeberischer Gestaltung und verfassungsrechtlicher Kontrolltätigkei". Zudem sprach sich Lammert für ein neues Verfahren zur Wahl der Richter aus. Es sei "beider Verfassungsorgane unwürdig", wenn der Bundestag nachträglich von einer Entscheidung des zwölfköpfigen Richterwahlausschusses des Parlaments unterrichtet werde, sagte der CDU-Politiker.

Das vor 65 Jahren in Kraft getretene Grundgesetz ist die Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland. Es wurde vom Parlamentarischen Rat erarbeit und am 8. Mai 1949 beschlossen. Nach der Annahme durch die Bundesländer mit Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgte am 23. Mai 1949 die Verkündung. Damit trat das Grundgesetz in Kraft.


Quelle:
epd