Geburtstag der Berliner Staatsbibliothek

350 Jahre Wissensspeicher

Ihre Schätze sind Teil des kulturellen Welterbes. Sie sind äußerst fragil und liegen im Dunkeln, nur wenige Auserwählte bekommen sie zu Gesicht: wie die "Erfurter Bibel" aus dem Jahr 1343, die weltweit größte Pergamentausgabe einer hebräischen Bibel. In ihrem Jubiläumsjahr steht die größte Universalbibliothek Deutschlands vor großen Herausforderungen.

Autor/in:
Sigrid Hoff
 (DR)

Die Orientabteilung der Berliner Staatsbibliothek gehört zu den frühesten Sondersammlungen aus der eigenen Gründungszeit. "Schon in den ersten Jahren gab es orientalische Handschriften aus China oder hebräische Handschriften, die der Kurfürst als Schenkung erhalten hat", erklärt Abteilungsleiter Christoph Rauch. Heute ist die Staatsbibliothek, die 2011 ihr 350-jähriges Bestehen feiert, die größte Universalbibliothek Deutschlands mit 10,8 Millionen Bänden. Darüber hinaus hütet sie 1,1 Millionen Karten, Pläne und Globen, rund 67.000 Musikautographe sowie zahlreiche andere Archivdokumente wie etwa den Nachlass des Theologen und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer.



Gegründet wurde der einzigartige Wissensspeicher 1661 als Churfürstliche Bibliothek zu Cölln an der Spree, ab 1781 avancierte sie zur Königlichen Bibliothek. Obwohl Privatbibliothek der jeweiligen Herrscher, war sie von Beginn an der Öffentlichkeit zugänglich. Mit Gründung der Berliner Universität 1810 diente sie vor allem der Alma Mater.



Bis 1884 wuchsen die Bestände rasant an, das Haus konnte sich auch international mit Paris oder London messen. 1914 erhielt die Institution einen neobarocken Monumentalbau Unter den Linden, errichtet durch den kaiserlichen Baumeister Eberhard von Ihne. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Bestände der nunmehrigen "Preußischen Staatsbibliothek" in Bergwerke, Klöster oder Schlösser ausgelagert.



Zukunftsmusik

Nach Kriegsende kehrte ein Teil der Bücher in das Stammhaus zurück, das sich nun im Sowjetsektor der Stadt befand. Die im Westen ausgelagerten Bestände bildeten den Grundstock für die Staatsbibliothek-West, die 1978 in einem Neubau von Hans Scharoun nahe dem Potsdamer Platz eröffnet wurde. Erst seit 1992 sind die Institutionen wieder vereint. Das Stammhaus wird künftig historische Forschungsbibliothek sein, im Haus an der Potsdamer Straße wird der Schwerpunkt auf moderne Literatur liegen.



Vieles davon ist noch Zukunftsmusik, zumal beide Häuser seit Jahren Baustelle sind: Im Scharoun-Bau ist die Asbestsanierung in vollem Gang, das Stammhaus Unter den Linden wird generalsaniert, seit 1945 zum ersten Mal. Anstelle des kriegszerstörten historischen Kuppellesesaals wurden zu DDR-Zeit vier mittlerweile wieder abgerissene Magazintürme gebaut. Im Zentrum des Gebäudegevierts entsteht nach Entwurf des Stuttgarter Architekten HG Merz ein neuer Lesesaal, in dem "das Lesen wieder zelebriert werden" soll.



"Wir haben im Gegensatz zu Ihne, dessen Lesesaal ein Oktogon war, einen Kubus entworfen als einen Lichtkörper, der sehr viel Licht in den Saal lässt", erläutert der Architekt seinen Entwurf. Der Glaskubus überragt bereits die historischen Bauten, doch die eigentlich für 2011 geplante Eröffnung wurde um ein Jahr verschoben. Komplizierte Planungsabläufe, Pleiten, Pech und Pannen, aber auch tragische Unfälle verzögerten die Fertigstellung.



Die Bauarbeiter bleiben

In einem Seitenflügel ist die Musikabteilung untergebracht. Im Tresor lagern bei konstanter Temperatur und Luftfeuchte die Autographe von Mozarts "Zauberflöte", Carl Maria von Webers "Freischütz" sowie 80 Prozent der Handschriften Johann Sebastian Bachs. Das Problem des Tintenfraßes ist mittlerweile behoben, aber auf die Leiterin Martina Rebmann warten weitere Aufgaben: Säurehaltige Einbände sind eine tickende Zeitbombe, betroffen ist die gesamte Notenproduktion deutscher Musikverlage vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1945. "In den nächsten Jahren sehe ich es auf uns zukommen, dass die Einbände alle ersetzt werden müssen", sagt Rebmann.



Auch in der Digitalisierung der Bestände hinkt die Staatsbibliothek anderen großen Institutionen hinterher. Angesichts dieses Bergs von Aufgaben ist Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempff bescheiden und wünscht sich bis zur Eröffnung des neuen Lesesaals Anfang 2012 nur einen "reibungslosen Weg". Doch auch danach werden die Bauarbeiter nicht abrücken. Bis 2014 soll das prunkvolle Stammhaus zum 100-jährigen Bestehen des Ihne-Baus in neuem Glanz erstrahlen.