Gebet demütigt muslimische Abgeordnete

Eklat in Harrisburg

Ein historisches Ereignis im Staatshaus von Pennsylvania wird zum Skandal. Eine evangelikale Abgeordnete nutzt das Eröffnungsgebet für eine peinliche Demütigung – vor der Vereidigung der ersten Muslima im Parlament.

Autor/in:
Thomas Spang
Gefaltete Hände / © Cristian Gennari (KNA)
Gefaltete Hände / © Cristian Gennari ( KNA )

Movita Johnson-Harrell freute sich sichtlich auf einen großen Tag. Umringt von Freunden und Familienangehörigen, wartete die frisch gewählte Abgeordnete aus Philadelphia im Staatshaus von Pennsylvania auf den Moment, in dem sie Geschichte schreiben sollte - als erste muslimische Parlamentarierin. Unter dem Arm hielt sie den Koran ihres Sohnes Charles Andre Johnson, der 2011 erschossen worden war. Auf den Koran wollte die Demokratin Anfang der Woche ihren Amtseid ablegen.

Andächtig neigte Johnson-Harrell ihr Haupt, als der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Turzai, einem anderen Neuling das Mikrofon für das Eröffnungsgebet überließ. Ein normalerweise wenig kontroverser Teil des Parlamentsgeschäfts, bei dem Abgeordnete oder eingeladene Geistliche verschiedener Religionen den Segen von oben herbeirufen.

Gebet wird zur Anklage

Nicht an diesem Tag. Nicht die ganz in Weiß gekleidete Stephanie Borowicz. Die Republikanerin aus dem ländlichen Wahlkreis Clinton verwandelte ihr Gebet in eine Anklage, wie sie ihr Ehemann, ein Evangelikaler, sonntags zuweilen von der Kanzel predigt. "Gott, vergib uns - Jesus - wir haben Dich aus den Augen verloren, wir haben Dich vergessen, Gott, in unserem Land, und wir bitten Dich, uns zu vergeben", setzte Borowicz zu einer scheinbar endlosen Litanei an.

Die Republikanerin schaffte es, in 100 Sekunden 13-mal "Jesus", 6-mal den "Herrn" und "Gott" zu erwähnen und "dem Einen" zu danken, "der zurückkehren wird" und der "kam, starb und auferstand am dritten Tag". Um auch dem letzten Zuhörer klar zu machen, was die von Borowicz beschworenen "Abwege" waren, betete sie für Donald Trump und dessen "eindeutige Unterstützung Israels".

Irritierte Blicke und nationale Schlagzeilen

Kurz bevor die eifrige Beterin zu ihrem Crescendo ansetzte, zupfte sie Sprecher Turzai am Arm. Andere in der Kammer sowie Johnson-Harrell und ihre 55 Gäste blickten irritiert auf Borowicz. "Ich behaupte all diese Dinge in dem kraftvollen, mächtigen Namen von Jesus, dem einen, vor dem jedes Knie sich beugen wird, und jede Zunge bekunden wird, Jesus, dass Du der Herr bist, in Jesu Namen", so die Republikanerin.

Als Borowicz das "Amen" sprach, hatte sie nationale Schlagzeilen gemacht. Vom "Philadelphia Inquirer" bis zur "Washington Post" berichtete ein breites Spektrum an US-Medien über den Tabubruch, der als symptomatisch für die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft gesehen wird.

"Das war enorm unsensibel, wenn man bedenkt, wie viele Nicht-Christen zugegen waren", schreibt die Kolumnistin des Inquirer, Jenice Armstrong. "Ich bin keine Predigerin, auch nicht die Frau eines Predigers, aber ich bete. Und dieses sogenannte Gebet im Parlament von Harrisburg war so spalterisch wie kein anderes, das ich in langer Zeit gehört habe", so die Journalistin.

"Ein Gebet sollte uns niemals teilen, sondern zusammenbringen"

Armstrong spricht damit vielen aus der Seele. "Ein Gebet sollte uns niemals teilen, sondern zusammenbringen", sprang der demokratische Abgeordnete Frank Dermody seiner neuen Kollegin zur Seite. Der republikanische Speaker Turzai entschuldigte sich indirekt dafür, seiner Parteifreundin das Mikrofon überlassen zu haben. Normalerweise würden Vorbeter instruiert, in ihren Segenswünschen alle Religionen zu respektieren, hieß es.

Johnson-Harrell sprach von einer "geplanten Beleidigung von mir und meinen Gästen im Namen Jesu". Aus ihrer Sicht komme das einer Blasphemie gleich. Demonstrativ lud Turzai den muslimischen Abgeordnete Jason Dawkins ein, am nächsten Tag das Eröffnungsgebet zu sprechen. Als dieser eine unverdächtige Passage aus dem Koran zitierte, quittierten Abgeordnete die versöhnlichen Worte mit Applaus.

Borowicz verstand dagegen in Anbetracht der Kritik an ihrer Art, den Segen des Herrn herbeizurufen, offenbar die Welt nicht mehr. "So bete ich jeden Tag", sagte die Evangelikale. "Und ich werde mich niemals dafür entschuldigen, dass ich bete."


Quelle:
KNA