Gebärdenchöre bereichern Gottesdienste im Bistum Trier

Lautlose Lieder

Vor zehn Jahren gründete der damalige Trierer Bischof Hermann Josef Spital eine Gehörlosengemeinde in seinem Bistum - die deutschlandweit erste und einzige ihrer Art für Katholiken. Weltweit gibt es nur acht ähnliche Gemeinden. Die Gebärdenchöre hier sind ein wichtiges Hilfsmittel zur Integration

Autor/in:
Karlheinz Adamek
 (DR)

Wenn Helga Kleefuß mit ihrem Chor auftritt, dann bleibt es still in der Kirche. Die Gemeindemitglieder schauen gebannt hin, denn die dargebotenen Lieder sind nicht zu hören: Die Mitglieder des Chors der Katholischen Gehörlosengemeinde des Bistums Trier tragen sie in Gebärdensprache vor. "In einem normalen Gottesdienst kann ich nur zuschauen, hier aber kann ich mitmachen und selbst gestalten", freut sich Helga Kleefuß. "Wir versuchen, ohne Stimme, mit viel Bewegung und Mimik eine besondere Ästhetik zu erreichen", erklärt die 60-Jährige, die seit ihrer Geburt hörgeschädigt ist.

Es sind insgesamt drei Chöre mit jeweils bis zu zehn Mitgliedern, die das kirchliche Leben in der rund 550 Mitglieder zählenden Gemeinde bereichern. Sie treten in der Trierer Herz-Jesu-Kirche wie auch in unterschiedlichen Gotteshäusern im Raum Koblenz und im Saarland auf. Die Idee zu den Gebärdenchören sei nach einem Besuch bei Gehörlosen in Chicago entstanden, sagt Pfarrer Ralf Schmitz. Dort sei man bei der Mitwirkung Gehörloser schon viel weiter gewesen.

Im Pfarrgemeinderat sitzen außer dem Pfarrer und der Gemeindereferentin nur Hörgeschädigte. Oberstes Ziel sei es, mitzuhelfen, dass gehörlose, ertaubte und schwerhörige Menschen den christlichen Glauben in der Gebärdensprache kennenlernen und leben könnten, sagt Schmitz.

"Wir haben rund 230 Lieder im Repertoire"
Die Gebärdenchöre gelten dabei im Trierer Bistum als ein wichtiges Hilfsmittel zur Integration. "Wir haben rund 230 Lieder im Repertoire", erläutert die hörgeschädigte Stefanie Reichert aus Konz. Es gebe ein in die Gebärdensprache übersetztes Liederbuch, das neben bekannten Kirchenliedern aber auch eigens für Gehörlose komponierte Stücke enthalte, so die 37-Jährige. Die Lieder seien wie in anderen Gemeinden auch mit Nummern versehen und könnten angesagt werden.

Doch es gibt einen wichtigen Unterschied: Die Chormitglieder können bei ihren Auftritten natürlich nicht einfach das Buch halten und gleichzeitig gebärden. Deshalb sitzen Chorleiter oder Chorleiterin mit dem Liederbuch vor dem Chor. Sie gebärden den Text, und der Chor vollzieht die Gesten nach. Die Gottesdienstbesucher können so die Lieder verstehen und tragen sie selber teilweise auch in Gebärdensprache vor.

Orgelmusik, so dass die Hörenden mitsingen können
Es gibt aber auch Ausnahmen an besonders hohen kirchlichen Feiertagen wie beispielsweise Weihnachten oder Fronleichnam und bei einzelnen Gemeindefesten, die gemeinsam mit hörenden Familienmitgliedern und Freunden begangen werden: Dann werden die vorgetragenen Stücke von Orgelmusik begleitet, so dass auch die Hörenden mitsingen können. Gleiches geschieht bei Taufen, Trauungen, Firmungen, der Erstkommunion oder wenn die Chöre in herkömmlichen Kirchengemeinden zu Gast sind.

Ähnliche Aktivitäten gibt es seit den 90er Jahren bei den Protestanten. "Wir haben in den einzelnen Landeskirchen bundesweit schon bis zu 15 Gebärdenchöre", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Gehörlosenseelsorge, Reinhold Engelbertz. Einer sei beispielsweise bei dem Musical "Simon von Cyrene" gemeinsam mit einem Gospelchor anlässlich des Ökumenischen Kirchentages in München aufgetreten. Das, so Enelbertz, sei schon ein besonderes Erlebnis gewesen.