Für einen Tag ruht die Debatte um den Afghanistaneinsatz

Italien betrauert seine Gefallenen

In Trauer geeint, so zeigt sich Italien am Montag. Mit nationaler Trauer und einem Staatsbegräbnis nahm das Land Abschied von den sechs italienischen Soldaten, die in der vergangenen Woche bei einem Attentat in Kabul getötet wurden. Tausende säumten in Rom die Straßen und applaudierten, als die Lafetten mit in Landesfahnen gehüllten Särgen zur Basilika Sankt Paul vor den Mauern rollten.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Dort, gemeinsam mit vier verletzten Kameraden, die höchsten Repräsentanten des Staates: Präsident Giorgio Napolitano, Senatspräsident Renato Schifani - und Seite an Seite Regierungschef Silvio Berlusconi mit dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Gianfranco Fini. Noch vor einer Woche sah es nach einem offenem Krieg zwischen den beiden Vätern des Regierungsbündnisses "Volk der Freiheit" aus.

Für den Augenblick verbietet sich selbst das streitlustige Italien manche Zwistigkeiten. In einer nationalen Aufwallung gedenken alle Gruppen und Schichten der toten Fallschirmjäger. Italiens Bildungsministerin Mariastella Gelmini ordnete eine Schweigeminute in allen Schulen und Universitäten an. Einer Schulklasse aus Caserta war auch das nicht genug: Die Pennäler fuhren kurzerhand mit ihrer Lateinlehrerin nach Rom, um vor Sankt Paul ihre "nationale Gesinnung zu bezeugen".

Anteil mit viel Affekt
Wie oft in Italien, nehmen die Menschen auch an diesem Unglück mit viel Affekt Anteil. Kaum eine Zeitung, die nicht auf dem Titel das Foto des zweijährigen Simone Valente mit der viel zu großen Baskenmütze seines Vaters Roberto brachte. Simone stand am Tag zuvor mit seiner Mutter am Rollfeld von Ciampino und begriff nicht, dass in einem der sechs Särge, die aus der soeben gelandeten C-130 der italienischen Luftwaffe getragen wurden, sein Papa lag. Die Tageszeitungen "Corriere della Sera" und "Il Giornale" richteten Spendenkonten zur Unterstützung der Familien ein.

Für Empörung sorgten anonyme Sprayer, die den Tod der Isaf-Kämpfer auf Häuserwänden mit einem lapidaren "-6" kommentierten. Und Druck bekam auch der für seine Anti-Berlusconi-Tiraden bekannte Priester Don Giorgio de Capitani zu spüren: In seinem Internetblog bezeichnete er die Soldaten als "nichts anderes als Söldner, saftig bezahlt von der Regierung, also von uns, damit sie ein Handwerk ausüben, das im Schießen auf menschliche Ziele besteht". "Il Giornale" prangerte ihn als "Schakalspriester" an; sein Erzbistum Mailand distanzierte sich.

Doch sichtlich ist die Kirche um Mäßigung und Ausgewogenheit bemüht. Papst Benedikt XVI. erwähnte in seinen Beileidsbekundungen beim Angelusgebet am Sonntag und in seiner Botschaft zum Trauergottesdienst ausdrücklich immer auch die zivilen Opfer. Immerhin kamen bei dem gleichen Attentat in Kabul auch zehn weitere Menschen ums Leben; an die 50 wurden verletzt. "Mit den gleichen Gefühlen der Anteilnahme denke ich an die anderen internationalen Kontingente, die ebenfalls vor kurzem Opfer erlitten haben", so der Papst.

Berlusconi: Strategie des Übergangs
Zugleich mahnen Benedikt XVI. und andere Oberhirten sanft, über der Betroffenheit die internationale Aufgabe des italienischen Isaf-Engagements nicht zu vergessen. So bat das Kirchenoberhaupt in einem verlesenen Telegramm um Gottes Hilfe für "die, die sich jeden Tag um den Aufbau von Solidarität, Versöhnung und Frieden in der Welt bemühen". Auch Kardinal Angelo Bagnasco, Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz und ehemals Militärbischof, würdigte den Truppeneinsatz als "Dienst für Ordnung und Frieden und für eine bessere Zukunft".

Den Gottesdienst in Sankt Paul, der ehrwürdigsten katholischen Basilika Roms nach dem Petersdom, hielt Militärbischof Vincenzo Pelvi. Er sprach als Seelsorger, doch zuvor schon hatte er in einem Interview vor schnellen Entscheidungen über einen Truppenabzug gewarnt. Die Militärmission habe eine "positive Bedeutung" für die Entwicklung Afghanistans und diene der internationalen Sicherheit.

Ähnlich mahnte Staatspräsident Napolitano, Verpflichtungen einzuhalten. Bei vielen ist das nicht populär. Berlusconi sprach sich schon vorsichtig zu einer "Strategie des Übergangs" aus. Außenminister Franco Frattini möchte 500 Soldaten von den 2.800 Mann am Hindukusch zu Weihnachten wieder nach Hause holen. Nach dem Staatstrauertag wird es nicht lange dauern, dann wird der Streit weitergehen.