Bischof und Psychologe gibt Rat für die Corona-Zeit

"Für die Zuversicht entscheiden"

In Krisenzeiten darf man sich nicht unter der Bettdecke einigeln, das rät der österreichische Bischof Benno Elbs, der gleichzeitig gelernter Psychotherapeut ist, in seinem neuen Buch "Werft eure Zuversicht nicht weg!".

Hoffnung und Zuversicht / © alinabuphoto (shutterstock)
Hoffnung und Zuversicht / © alinabuphoto ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Corona-Krise belastet uns alle seit einem halben Jahr. Zuversicht behalten wird da manchmal schwierig. Wie erleben Sie diese Zeit?

Benno Elbs (Bischof von Feldkirch): Gut, die prägendsten Erlebnisse waren natürlich, dass die Gottesdienste abgesagt worden sind, dass keine Zugänge mehr gewesen sind in die Krankenhäuser, in die Altenheime. Dass viele Menschen, die zuhause einsam gewesen sind, vor allem ältere Menschen, nicht besucht werden konnten. Und es war natürlich entscheidend für uns als Kirche, auch für mich persönlich: Wie kann ich neue Wege zu den Menschen finden? Weil diese analogen Wege, Kontakt, Berührungen anwesend sein, Nähe - das war einfach nicht mehr möglich. Das hat natürlich für viele Menschen zu einer grundsätzlichen Veränderung des Lebens geführt. Es hat hier viel Angst gegeben, auch Unsicherheiten. Das habe ich persönlich auch gespürt. Wie geht es weiter?

Eine Erfahrung, die viele Menschen kennen und die vermutlich jeder von uns in irgendeiner Weise kennt, ist die Einsamkeit. Man hat auf einmal nicht mehr die Möglichkeit gehabt, Kontakte zu Freundinnen und Freunden zu haben. Und was auch für mich sehr prägend war: Es gab sehr viele Kränkungen, nämlich die Aussicht auf Arbeitslosigkeit des Menschen, auf einmal keine Arbeit mehr hatten. Oder dass man sich zum Beispiel in der Intensivstation nicht verabschieden konnte von einem sterbenden lieben Verwandten. Das sind alles Erschütterungen gewesen, die in dieser Zeit vor allem beim ersten Lockdown für viele Menschen und auch für mich persönlich sehr, sehr prägend waren.

DOMRADIO.DE: Sie blicken auf das Thema aus zwei Perspektiven: Als Theologie und als gelernter Psychotherapeut. Psychologisch gefragt: Warum fällt es in Krisenzeiten so schwer, zuversichtlich zu bleiben?

Elbs: Ich glaube, dass die Zuversicht etwas ist, was man ganz aktiv anstreben muss. Ein Tieren aber auch ein Mensch zieht sich in einer Krise oder wenn man sich bedroht fühlt zuerst einmal zurück. Man igelt sich unter der Bettdecke ein. Das Entscheidende ist, dass man sich für die Zuversicht entscheidet. Und da gibt es natürlich verschiedene Wege, die uns aus der Psychologie klar sind, dass sie zur Zuversicht führen. Das eine ist die Wertschätzung, dass man Wertschätzung erfährt. Das ist etwas ganz, ganz Wichtiges im menschlichen Leben, das wir wissen: Wir sind geliebt, wir sind getragen, wir sind geschätzt. Ein anderer, wichtiger, entscheidender Punkt ist, dass wir einen Sinn spüren und den Sinn suchen im Leben. Und Viktor Frankl, der große Psychotherapeut, sagt, dass es schöpferische Werte sind, die uns Zuversicht schenken. Das heißt, dass ich Dinge tue, die ich sonst vielleicht nicht mehr getan habe: einen Garten anlegen oder ganz kreative Dinge. Dass auch Erlebnisse wichtig sind, die uns bereichern: Spaziergänge in der Natur, sich irgendwo ein Buch zu nehmen oder vielleicht einmal ganz bewusst etwas Gutes zu gönnen. Oder auch diese Einstellungswerte. Das heißt, dass wir uns zu den Situationen, in denen wir sind, einfach auch positiv versuchen einzustellen. Das sind alles Dinge, die wichtig sind, um in diese Haltung der Zuversicht zu kommen. Zuversicht ist nicht so selbstverständlich, sondern es braucht eine Entscheidung dazu, und es braucht auch bestimmte Schritte in diese Richtung.

DOMRADIO.DE: Kann man das Wort "Zuversicht" gleichsetzen mit dem mehr christlich konnotierten Begriff der "Hoffnung"?

Elbs: Ich würde sagen, dass es zusammenhängt, Hoffnung und Zuversicht könnte man eigentlich schon, glaube ich, austauschen. Letztendlich ist es natürlich so, dass die Hoffnung, auch wenn man es jetzt aus christlicher Sicht sieht, eine Hoffnung ist, die von Gott her kommt, die vom Spirituellen und vom Religiösen her kommt. Das hat natürlich eine tiefere und fundamentalere Dimension, als vielleicht das Wort Zuversicht, weil Zuversicht natürlich etwas ist, was jedem Menschen wichtig ist, was jeder Mensch braucht. Man kann es austauschen, würde ich jetzt sagen. Aber auf der anderen Seite kann man natürlich sagen, dass unsere Hoffnung, die christliche Hoffnung, auch noch eine andere Wurzel hat, nämlich das Vertrauen auf Gott und das Wissen und das Grundvertrauen, dass Gott alle Wege mit uns geht, auch die, die uns in eine Krise begleiten, wenn uns das Leben belastet.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Benno Elbs, Bischof von Feldkirch / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Benno Elbs, Bischof von Feldkirch / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR