Fünf Jahre nach dem Seebeben fördert ein Bildungsprojekt noch immer Tsunami-Waisen

Urlaub in der Schule

Mit den Folgen der Katastrophe kämpfen die betroffenen Ländern bis heute - zum Beispiel in der thailändischen "Beluga School for Life" für Waisen oder Halbwaisen aus armen Familien.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Die jungen Thailänder in der Englischklasse der "Beluga School for Life" sind außer Rand und Band. Ein ausländischer Besucher ist eine willkommene Abwechslung im Unterrichtsalltag.  Manche grinsen breit, andere lachen laut, wieder andere schauen ein wenig verlegen drein. Ganz mutige wenden ihre Englischkenntnisse an, fragen, woher der Besucher kommt, wie er heißt - und sind hellauf begeistert, wenn ihr Englisch verstanden wird.

Die Schüler sind allesamt Waisen oder Halbwaisen aus armen Familien.  Gut 150 Jungen und Mädchen im Alter zwischen 3 und 18 Jahren leben in der "Beluga School for Life" (BSL) im Dorf Na Nai nahe Khao Lak. Was vor vier Jahren als Hilfsprojekt für Tsunami-Waisen in Not von Niels Stolberg, Chef der Bremer Reederei Beluga Shipping, gegründet wurde, ist längst zu einer kleinen Dorfgemeinschaft gewachsen.

Das vor allem bei Deutschen und Skandinaviern beliebte Ferienparadies Khao Lak in Südthailand in der Nähe von Phuket war besonders hart von dem Seebeben am Zweiten Weihnachtstag 2004 betroffen. Mehr als 5.000 Menschen kamen ums Leben, Hotels und Dörfer wurden dem Erdbeben gleichgemacht.

"Auch arme Kinder verdienen eine erstklassige Ausbildung"
"50 unserer Kinder haben ihre Familien durch den Tsunami verloren", sagt Jörg Thiemann, BSL-Projektleiter vor Ort: "Die richtige Waisenwelle kam aber erst gut ein Jahr nach dem Tsunami." Viele Kinder seien zunächst bei Verwandten unterkommen. "Aber nach einer Weile konnten diese die Kinder nicht mehr ernähren, oder sie wurden verstoßen, wenn der überlebende Elternteil eine neue Ehe einging." Thiemann betont, die "Beluga Lebensschule" sei kein klassisches Waisenhaus. "Wir sind ein Bildungsprojekt. Auch arme Kinder verdienen eine erstklassige Ausbildung."

Neben dem Schulunterricht mit klassischen Fächern von Mathe bis Sport bietet die BSL praktische Berufsausbildungsmöglichkeiten an:
Computertechnik etwa oder Methoden organischer Landwirtschaft. Dazu gehören Fischzucht, Ziegen, Wasserbüffel und Gemüseanbau, die auch den praktischen Zweck haben, zur Versorgung des Projekts beizutragen.

Traumhaft schön liegt die BLS in einem weiten, grünen Tal, umgeben von hohen Bergen, nur ein paar Autominuten von den Traumstränden Khao Laks. Großzügig über das Grundstück einer ehemaligen Kokosplantage verteilt sind die Gebäude mit den Schlafsälen, Gemeinschaftsräumen, Klassenzimmern und Büros. In der Mitte strahlt ein Pool frisch und blau. Er gehört wie einige Bungalows zu der neuen Ferienanlage, die künftig die BLZ zu einem guten Teil finanzieren soll. Das Motto des Urlaubs in der Lebensschule: "Reisen, Erholen, Helfen".

Es geht nicht nur um den bloßen Job
Das Hotel ist gleichzeitig eine Hotelschule. Dort werden BLS-Jugendliche zu Hotelfachkräften ausgebildet - mit eingebauter Jobgarantie. Die Schule arbeitet mit anderen Hotels in Khao Lak zusammen, bei denen die Hotelschüler Praktika absolvieren. Am Ende der Ausbildung winken ihnen Zweijahresverträge mit den Partnerhotels. "Die rennen uns die Tür ein. Ausgebildete Hotelfachkräfte sind in Thailand Mangelware", sagt Thiemann.

Doch es geht nicht nur um den bloßen Job. Die Jugendlichen werden auch auf andere Fragen vorbereitet. Khun Emma unterrichtet Sexualkundeunterricht an der "Lebensschule". Sie klärt ihre Schützlinge nicht nur über Sexualität auf. Vor allem die Mädchen, die später etwa in Hotels arbeiten, lernen auch, dass mancher männliche Gast junge Thailänderinnen als Freiwild ansehen und wie sie sich dagegen zur Wehr setzen können. "Es gibt ja noch immer viele Sextouristen hier", sagt Khun Emma.

Unmittelbar nach dem Tsunami half die Psychologin im Auftrag des Malteser Hilfsdienstes den Überlebenden in den Notlagern, mit dem Trauma von Verlust und Trauer zurechtzukommen. "Manche verfielen in Depressionen, andere wurden aggressiv", berichtet sie. Fünf Jahre nach der verheerenden Naturkatastrophe seien die psychischen Wunden langsam vernarbt. Aber ein Resttrauma bleibt, wie Khun Emma weiß: "Bei manchen Kindern ist eine Scheu vor dem Meer bemerkbar."