Fronleichnam im Kölner Dom

"Christus ist die Erfüllung unserer Sehnsucht"

Im zweiten Jahr in Folge hat Fronleichnam unter Corona-Bedingungen stattgefunden. Geplant war nach dem Pontifikalamt mit Kardinal Woelki eine kleine Prozession. Doch selbst die fiel im letzten Moment noch sprichwörtlich ins Wasser.

Autor/in:
Von Beatrice Tomasetti
Fronleichnam im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Fronleichnam im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Um 9.15 Uhr versprüht Dompropst Guido Assmann noch Zuversicht. "Der Himmel klart gleich auf, da hinten wird es schon blau. Unsere Prozession kann wie geplant stattfinden", vermutet er mit viel Optimismus trotz der dichten Wolkendecke, während er vor dem Hauptportal des Domes auf und ab geht. Er begrüßt die Menschen, die mit einem Einlassticket in den Dom drängen, etwa 250 insgesamt, darunter viele Familien, die nebeneinandersitzen dürfen, also keine Einzelplätze besetzen.

Regen verhindert Prozession

Und er wartet auf den Erzbischof, der gleich in der Kathedrale – und nicht wie sonst üblich vor dem Südportal auf dem weitläufigen Roncalliplatz – ein Pontifikalamt am Hochfest Fronleichnam feiern wird. Doch Petrus hat an diesem Vormittag kein Einsehen. Anhaltende Regenschauer machen jede Hoffnung zunichte, dass wenigstens das Minimum an Tradition, die sich üblicherweise mit diesem großen Kirchenfest in Köln verbindet und sonst viele tausend Menschen auf den Straßen mobilisiert, stattfinden kann und trotz Pandemie wenigstens ansatzweise etwas von dem gewohnten Flair, die dieser öffentlichkeitswirksame Festtag sonst für die Kölner hat, auch außerhalb der Dommauern spürbar wird.

Später – gegen Ende des Gottesdienstes – informiert Domvikar Tobias Hopmann die Gemeinde darüber, dass sich den vielen Mails und Anrufen der letzten Tage bei der Domseelsorge, mit denen Menschen ihr Bedauern über den coronabedingten Ausfall der traditionellen Messe unter freiem Himmel und der großen Stadtprozession zum Ausdruck gebracht haben, auch der Himmel anschließe und mitweine. Mit anderen Worten: Draußen gießt es in Strömen und sogar die deutlich verkürzte Prozession wird folglich nun ganz gestrichen – und damit auch die drei Stationen, an denen in diesem Jahr bewusst Menschen zu Wort kommen sollten, die sich in der Corona-Krise in besonderem Maße für andere engagiert haben, Vertreter der muttersprachlichen Gemeinden und auch der Obdachlosenseelsorge oder einzelne Jugendliche, die gerade für ihre Kirche in schwerer Zeit besonders beten wollen.

Jugendlicher betet für gegenseitige Akzeptanz in der Kirche

In diesem Fall bedeutet Plan B, dass Anbetung und Verehrung des Allerheiligsten nun nicht unmittelbar rund um den Dom – beginnend am Südportal vorbei am Domherrenfriedhof hinter dem Ostchor gelegen und schließlich mit festlichem Einzug durchs Hauptportal – stattfinden kann, sondern nur in "abgespeckterer Form" im Dom, wie Hopmann erklärt. Was der dichten Atmosphäre, zu der vor allem auch die knapp 40 Sängerinnen und Sänger der Domchöre mit ihrer Musik beitragen sowie optisch die sehr vereinzelt sichtbaren Abordnungen der vielen in Köln ansässigen Karnevalsvereine, Gilden und Studentenverbindungen mit ihren Standartenträgern sowie der Malteser und Grabesritter, die nur in sehr reduzierter Zahl eingeladen worden waren, keinen Abbruch tut.

"Unsere Herzen brennen!"

Besonders eindringlich geht Benjamin Heidkamp für den BDKJ der Stadt Köln auf die momentane Situation der Kölner Kirche ein, als er betet: "Herr Jesus Christus: Unsere Herzen brennen! Sie brennen vor Freude, Hoffung und Zuversicht, weil wir sehen und erleben, wie gut Kirche sein kann. Gleichzeitig aber brennen unsere Herzen auch vor Sorge. Kirche ist uns wichtig, weil sie für uns Heimat ist. Wir fühlen, wie sich unsere Kirche und viele Menschen entzweien.“ In seinen weiteren Ausführungen fragt der junge Mann danach, wie es gelingen könne, sich ehrlich zu begegnen, einen echten gemeinsamen Weg in die Zukunft zu finden, das Morgen zu gestalten und zusammenzuführen. „Wie gut wäre es doch, dass sich der Sturm legt und wir gestärkt in gegenseitiger Akzeptanz daraus hervorgehen", betont er. "Wie erstrebenswert wäre es, wenn wir versuchen würden, immer mehr zu sein wie du." Andere Wortbeiträge stellen die Menschen in den Mittelpunkt, die ganz besonders unter den Einschränkungen und Auswirkungen der Corona-Krise leiden und dringend auf Hilfe von außen angewiesen sind. Sie und ihr Leid sollen an diesem Tag ganz besonders im Zentrum stehen.

Kardinal Woelki: Brot ist zur Stärkung des Lebens da

Auf die Bedeutung und Wichtigkeit von Fronleichnam weist gleich zu Beginn der Eucharistiefeier Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hin. Auch wenn dieses Fest nun schon zum zweiten Mal unter Corona-Bedingungen stattfinde und diesmal sehr bewusst auch von Anfang an in die Kathedrale verlagert worden sei, weil hier ein bewährtes Hygienekonzept greife, sei "heute ein freudiger Tag, der uns Hoffnung und Zuversicht schenkt, weil er uns verheißt, wir sind nicht alleine in der Welt und nicht in der Kirche“, betont er in seiner Begrüßung. In dem Sakrament des Leibes und Blutes Jesu Christi schenke Gott seine Gegenwart, Halt und Orientierung. Es sei ein Fest der Freude und des Dankes. „Wir danken dem Herrn für seine Gegenwart in unserer Mitte." Das mildere auch nicht die Tatsache, dass er unter den kleinen und schwachen Zeichen von Brot und Wein verborgen sei, führt er dann in seiner Predigt aus. "Das wirklich Großartige daran ist, dass der Herr nicht einfach nur so bei uns ist, sondern – vielmehr noch als das – sich uns sogar zur Speise gibt." In Brot und Wein schenke er sich selbst. Mehr als das gehe nicht, so Woelki.

"Er teilt sein Leben mit uns"

"Brot ist dazu da, um Leben zu stärken, um Leben zu erhalten. Jesus schenkt sich uns, um sein Leben zu geben. Ja, er teilt sein Leben mit uns." So wie es Menschen miteinander teilten: in Freundschaften und in der Ehe, in der Frau und Mann ihr Leben bis zum Tod miteinander teilten und keine Macht dieser Erde sie auseinander zu bringen vermöge. "Der eine ist Teil im Leben des anderen. So ist es auch mit Jesus. Er teilt sein Leben mit uns. Was ist das für eine tiefe Gemeinschaft? Was ist das für eine tiefe Freundschaft? Dass er uns in sich leben lässt, dass er uns sein Leben mitleben, an seinem Innersten teilhaben lässt", ruft der Kardinal in den Dom.

Menschsein ohne Christus ist ein Weg in die Leere

"Heute an Fronleichnam machen wir dieses Geschenk öffentlich", sagt Woelki. Christus habe nämlich nicht einfach nur einen Platz hier in der Kirche. Er sei nicht eingeschlossen von Mauern. Er lebe nicht nur in einem Tabernakel. Christus habe seinen Platz in allen Bereichen des Lebens: in Schule und Beruf, in Familie, Öffentlichkeit und Arbeit, in Erholung und Freizeit. „Ihm gehört nicht nur eine Stunde am Sonntag, sondern jede Stunde unseres Lebens“, unterstreicht der Kardinal. "Was Menschsein heißt", fährt er an anderer Stelle fort, "können wir ablesen an unserer großen Sehnsucht nach Sinn, nach Orientierung, nach Erfüllung, nach Glück, nach Angenommensein und nach Liebe; nach einem Leben, das nicht stirbt, und nach einer Liebe, die nicht enttäuscht und die uns sogar noch über die Todesgrenze hinweg trägt in ein neues anderes Leben." Der Herr schenke sich selbst im Brot des Lebens und damit die Erfüllung unseres Menschseins, wiederholt Woelki noch einmal.

Brot des Lebens

Glück ohne Christus, Menschsein ohne Christus sei dagegen ein Weg in die Leere, in die Sinnlosigkeit, in die Nacht, gibt er zu bedenken. "Heute feiern wir ihn als Brot des Lebens. Christus ist die Erfüllung unserer Sehnsucht. Er ist die Erfüllung unseres Menschseins. Er ist die Wahrheit, die nicht verdunkelt werden darf", betont der Erzbischof. "Fronleichnam zeigt aber nicht nur die Erfüllung unseres Lebens, sondern vor allem auch, dass Christus unseren Lebensweg mit uns geht: durch alle Höhen und Tiefen. Nichts klammert er aus. Immer und überall will er unser Leben mitleben."

Jesus nicht ausschließen

Das allein sei Grund genug, zum Leben Ja zu sagen in allen seinen Facetten. Das sei Grund genug, dem Leben zu trauen und sich an ihm zu freuen. "Schließen wir Jesus Christus deshalb nicht aus!", appelliert der Erzbischof abschließend an seine Zuhörer. "Aus keinem unserer Lebensbereiche, aus keiner unserer Familien, aus keinem Bezirk unserer Stadt. Verbannen wir ihn nicht aus unserer Gesellschaft, nicht aus unserem Gemeinwesen, nicht aus der Öffentlichkeit, nicht aus unserem Volk!" Denn an ihm komme niemand vorbei.

 

Fronleichnam im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Fronleichnam im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

 

Fronleichnam im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
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Fronleichnam im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
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Quelle:
DR