Frist zum Antrag auf Mindestlohn endet - SPD Strategie gescheitert?

Blamage Mindestlohn?

Der frühere Bundesarbeitsminister hatte ehrgeizige Pläne. Möglichst viele Wirtschaftszweige sollten nach dem Willen von Franz Müntefering verbindliche Mindestlöhne erhalten. Sämtliche Branchen wurden aufgerufen, sich bis zum 31. März 2008 im Ressort zu melden. Ziel waren flächendeckende Lohnuntergrenzen. Doch der Weg zu mehr Mindestlöhnen ist weitaus schwieriger als von den Sozialdemokraten angenommen.

 (DR)

Münteferings Amtsnachfolger Olaf Scholz (SPD) gab sich nach Amtsantritt ebenfalls zuversichtlich: "Der Mindestlohn kommt, da bin ich ganz sicher. Für alle." Ihm droht nun die Blamage. Denn das Echo ist dürftig. Lediglich vier neue Branchen - darunter zwei Mini-Sparten - streben bislang die Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und damit allgemeinverbindliche Mindestlöhne an. Spätestens am Dienstag - nach Ablauf der Frist - muss Scholz Farbe bekennen.

Anträge stellten die Zeitarbeitsbranche (knapp 500 000 Beschäftigte), die Wach- und Sicherheitsdienste (etwa 170 000 Beschäftigte), die privaten Forstdienstleister (rund 10 000 Beschäftigte) und die Textildienstleister (knapp 30 000). Die avisierte Zahl von zumindest 4,4 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, die mit Lohnuntergrenzen vor Dumping-Konkurrenz geschützt werden sollten, ist damit bei weitem nicht erreicht. Viele Experten hatten die Entwicklung erwartet, schließlich müssen sich Arbeitgeber und Arbbeitnehmer zunächst auf einen Antrag einigen.

Im Arbeitsministerium zeigt man sich daher gelassen. Schließlich könnten auch nach dem 31. März noch Anträge gestellt werden. Die Frist diene nur der Bündelung. Und für gewerkschaftich kaum organisierte Branchen hatte die SPD das Mindestarbeitsbedingungengesetz durchgesetzt. Es kommt zum tragen, wenn Mindestlöhne nicht nach dem Entsendegesetz eingeführt werden können. Das derzeit überarbeitete Regelwerk soll für die "weißen Flecken" gelten, also für Branchen mit marginaler Tarifbindung. Der Unterschied zum Entsendegesetz: Die Lohnuntergrenzen werden nicht von Tarifpartnern vertraglich festgelegt, sondern zwei Ausschüsse entscheiden darüber.

Ärger droht
Ärger droht Scholz allerdings schon aus den Branchen, in denen Mindestlohntarifverträge vorliegen. Das gilt etwa für die Zeitarbeit. Hier haben Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit den Verbänden BZA und IGZ Lohnuntergrenzen ausgehandelt. Der konkurrierende Arbeitgeberverband AMP und sein Tarifpartner, die Christlichen Gewerkschaften, lehnen diese ab. Da die Tarifbindung in der Branche fast 100 Prozent beträgt, sieht auch die Union "keinerlei Regelungsbedarf des Staates".

Eine Niederlage erlitt der Arbeitsminister bereits mit dem Post-Mindestlohn. Nach der Baubranche und den Gebäudereinigern wurden für die Briefdienste als drittem Wirtschaftszweig allgemeinverbindliche Lohnuntergrenzen nach dem Entsendegesetz eingeführt. Diese seien aber rechtswidrig, befand das Berliner Verwaltungsgericht. Denn eine solche Verordnung könne nur für nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten. Scholz ist gegen das Urteil in Berufung gegangen und rechnet mit einem Erfolg. Unterliegt er, müssen auch die Novellen zu Entsendegesetz und MiA wieder auf den Prüfstand.

Gesetzlicher Mindestlohn?
SPD und Gewerkschaften wollen nach der geringen Resonanz auf das Angebot für Branchenmindestlöhne den Druck für einen allgemein gesetzlichen Mindestlöhnen verschärfen. "Wir müssen das weitere Absinken von Löhnen und Gehältern stoppen", sagte die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti der "Frankfurter Rundschau" (Montagausgabe). "Gelingt dies nicht freiwillig, also über die Tarifpartner in den Branchen, so rückt ein gesetzlicher Mindestlohn näher."

Unterstützung kam vom Deutschen Gewerkschaftsbund. "Wir brauchen den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn", sagte Klaus Schroeter, Tarifexperte der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). "Der Versuch, über das Entsendegesetz zu flächendeckenden Mindestlöhnen zu kommen, funktioniert nicht."