"Frings fragt" mit der Wehrbeauftragen Eva Högl

"Die alte Wehrpflicht wollen wir nicht zurück"

Unter dem Titel "Frings fragt" bietet der Generalsekretär der deutschen Katholiken, Marc Frings, eine Gesprächsreihe im Vorfeld des Katholikentags mit gesellschaftlich relevanten Personen an. Diesmal steht Eva Högl Rede und Antwort.

Eva Högl / © Inga Haar (Bundestag)

Marc Frings (Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Mitglied der Katholikentagsleitung): Herzlich willkommen zu "Frings fragt" heute mit Dr. Eva Högl, der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags. Mit ihr spreche ich über Sicherheit und Demokratie auch im Kontext des 103. Deutschen Katholikentags, der unter dem Leitwort "Zukunft hat der Mensch des Friedens" vom 29. Mai bis zum 2. Juni in Erfurt stattfinden wird. Frau Dr. Högl, toll, dass Sie Zeit für uns haben.

Marc Frings / © Julia Steinbrecht (KNA)
Marc Frings / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Dr. Eva Högl (Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, SPD): Selbstverständlich und sehr gerne. 

Frings: Sie haben unlängst Ihren Jahresbericht zum Zustand der Bundeswehr vorgestellt. Die Liste liest sich wie eine einzige Mängelanhäufung. Wie steht es um die Bundeswehr? 

Högl: Es sind natürlich noch Dinge zu verbessern – Material, Personal, Infrastruktur. Aber der Jahresbericht ist auch voll von Entwicklungen in die richtige Richtung. Vor allen Dingen ist er gefüllt davon, wie exzellent unsere Soldatinnen und Soldaten sind, auf die wir sehr stolz sein können. 

Frings: Was funktioniert jetzt schon besonders gut? 

Högl: Besonders gut ist die persönliche Ausrüstung. Der Bundestag hat 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt für moderne Kampfbekleidung und Schutzausrüstung. Das Geld und die Ausrüstung kommen im wahrsten Sinne des Wortes bei der Truppe an. 

Frings: Trotzdem sagen Sie, Infrastruktur und Material seien eine Herausforderung und dass es mehr und jüngeres Personal braucht. Woher kommt diese kritische Entwicklung, die es jetzt nachzuholen gilt? 

Eva Högl

"Die Bundeswehr wird jetzt wieder hochgefahren."

Högl: Die Bundeswehr ist nach dem Ende des Kalten Krieges geschrumpft; nach dem Fall der Mauer war ja das gemeinsame Verständnis, man müsse weniger in Militär investieren und könne auch die Streitkräfte reduzieren. Jetzt hat man einen enormen Reformstau bei der Infrastruktur. Man muss Kasernen sanieren, aber auch neu bauen.

Die Bundeswehr wird jetzt wieder hochgefahren, Material wird beschafft, das auch ordentlich untergestellt werden. Die größte Herausforderung sehe ich aber im Bereich Personal. Wir müssen bei der Personalgewinnung besser werden, vorhandenes Personal binden und entwickeln.

Bundeswehrsoldaten / © Daniel Reinhardt (dpa)
Bundeswehrsoldaten / © Daniel Reinhardt ( dpa )

Frings: Sie sprechen das Ende des Kalten Krieges an. Vor 30 Jahren bestand Hoffnung auf Frieden in den internationalen Beziehungen. Heute geht es wieder um Aufrüstung, um mehr Militärausgaben und um die Rolle des Westens im Krieg gegen Russland. Kehren wir zurück in eine Debatte, die wir eigentlich längst hinter uns gelassen hatten? 

Högl: Leider ja, das sage ich auch als gläubige Christin. Das tut weh, weil wir insbesondere nach dem Fall der Mauer die Hoffnung hatten, gemeinsam mit Russland und vielen anderen auf der Welt eine internationale Friedensordnung gestalten zu können. Wir haben mal darüber diskutiert, ob Russland Mitglied der NATO werden könnte, um gemeinsam für Sicherheit zu sorgen.

Seit Georgien 2008, der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014, aber auf jeden Fall seit dem 24. Februar 2022 wissen wir leider, dass Russland nicht bereit ist, gemeinsam mit uns am Frieden zu arbeiten, sondern einen brutalen Krieg in der Ukraine führt. Wir sehen, dass es ohne Militär nicht geht und wir Frieden nur schaffen können, wenn wir auch massiv in unsere Streitkräfte investieren. 

Frings: Sie haben sich gegen eine Rückkehr zur klassischen Wehrpflicht ausgesprochen und werben für ein freiwilliges Gesellschaftsjahr. Wie kann so ein Jahr aussehen? 

Eva Högl

"Es braucht ein modernes Konzept für Frauen und Männer, mit so viel Freiwilligkeit wie möglich hinterlegt."

Högl: Ich unterstütze den Vorschlag des Bundespräsidenten, nämlich ein Jahr für die Gesellschaft einzuführen: in Kultur, im Umweltbereich, im sozialen Bereich und eben auch bei der Bundeswehr oder in Blaulichtorganisationen. Das stärkt den sozialen Zusammenhalt.

Die alte Wehrpflicht, bei der ein Jahrgang junger Männer eingezogen wird, wollen wir nicht zurück. Es braucht ein modernes Konzept für Frauen und Männer, mit so viel Freiwilligkeit wie möglich hinterlegt.

Frings: In den Gemeinden, in den Verbänden und bei der Caritas ist das kirchliche Leben nur dank des Ehrenamts überhaupt noch möglich. Sehen Sie hier das Gesellschaftsjahr als Flankierung oder als Konkurrenz? 

Högl: Auf jeden Fall als Flankierung. Konkurrenz können wir uns nicht erlauben. Deswegen fände ich es gut, wenn wir staatlicherseits viel mehr Angebote machen und so lange wie möglich auf der Basis von Freiwilligkeit alle motivieren, mitzuhelfen. Wir haben Bereiche in unserer Gesellschaft, die sich herausziehen und die möchte ich mit an Bord holen. 

Wegweiser zu einem Wahllokal / © Sebastian Gollnow (dpa)
Wegweiser zu einem Wahllokal / © Sebastian Gollnow ( dpa )

Frings: Wehrhaftigkeit ist auch eine Herausforderung für uns in Deutschland. Wir stehen vor herausfordernden Wahlen: die Europawahl im Juni, dann im Herbst sehr schwierige Landtagswahlen. Die Prognosen gehen von massiven Zugewinnen bei der AfD aus. Glauben Sie, dass unsere Demokratie und unsere Gesellschaft wehrhaft genug aufgebaut sind, um das zu verteidigen, was uns an rechtsstaatlichen und demokratischen Werten bislang geschenkt wurde? 

Högl: Es ist sehr wichtig, dass wir auch im Inneren wehrhaft sind. Wir sehen leider jeden Tag, dass unsere Art zu leben unter Druck ist. Freiheit kommt nicht umsonst und wir müssen uns überlegen, wie wir unsere Demokratie noch besser absichern können. Dazu braucht es wehrhafte Strukturen – darum wird es auch bei der Europawahl gehen. Ich hoffe sehr, dass alle, die zur Wahlurne gehen, diese Werte bei ihrer Wahlentscheidung berücksichtigen. 

Eva Högl

"Kirchen haben eine ganz starke Rolle in genau diesen Fragen und sie eröffnen Räume für Diskussionen."

Frings: Letzte Frage: Sie haben bereits betont, dass Sie selber Christin sind. Welchen Beitrag können Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland leisten, damit sowohl der Sicherheitsdiskurs als auch die Frage von Demokratie in Deutschland relevant bleiben?

Högl: Kirchen haben eine ganz starke Rolle in genau diesen Fragen und sie eröffnen Räume für Diskussionen; auch beim Katholikentag wird das eine Rolle spielen. In Kirchen finden Debatten statt: über unsere Art zu leben, über unsere Demokratie. Und Kirchen stärken das Miteinander und den sozialen Zusammenhalt. Sie schaffen Räume für Verbindung von ganz unterschiedlichen Menschen, die sich auf der Basis ihres Glaubens treffen.

Und Kirchen haben eine starke Stimme. Ich bin sehr dankbar für das starke Signal aus der katholischen Kirche, hinsichtlich der AfD ganz klarzumachen: Wofür steht unser Glauben und was ist damit nicht in Übereinstimmung zu bringen? Insofern sind Kirchen und gläubige Menschen wichtige Akteure in gesellschaftlichen Debatten.

Frings: Danke, Frau Dr. Högl, für den Austausch. Mehr Gespräche, mehr Austausch und Mitmachangebote gibt es ab dem 29. Mai in Erfurt beim 103. Deutschen Katholikentag.